Kleine Kajak-Tagestour im Nortik Fold Origami-Kajak auf Spree und Dahme
18.07.2021 - Jungfernfahrt mit dem Nortik Fold 4.2 von Köpenick nach ZeuthenLänge: 16 km
Ich möchte paddeln. Irgendwo einsteigen, losfahren, genießen, irgendwo wieder aussteigen. Und mir möglichst wenig Gedanken um den Transport machen. Denn das nervt – und um das nervende Logistikproblem mit dem Kajaktransport endlich zu lösen, habe ich mir kurzentschlossen ein Origami Kajak gekauft. Ein Nortik-Fold 4.2, das bei Kanu-Connection in Berlin tatsächlich vorrätig war, obwohl es in vielen Shops ausverkauft ist.
Zwar sieht das Boot ein wenig aus, als wäre es mit Minecraft konstruiert worden, aber das hat auch einen gewissen Charme. Die Alternativen wären ein Faltboot oder ein aufblasbares Kajak gewesen. Echte Faltboote sind teuer, kompliziert im Aufbau und nicht unter 2.000 EUR zu haben. Aufblasbare Boote erinnern mich doch zu sehr an Schlauchboote. Die Fahreigenschaften sollen eher bescheiden sein.
Das Nortik-Fold ist erstaunlich stabil, bei 4,20m Länge passt Gepäck für ein paar Tage hinein. Der nette Verkäufer demonstriert sogar, dass ein großer Kajakwagen mit Sackkarrenfunktion untergebracht werden kann. Kurzum: ich kaufe es und wuchte die recht große und etwas schlabberige graue Packtasche auf die Rückbank des kleinen Mietwagens. Das klappt schon mal problemlos.
Zwar brauche ich beim ersten Aufbau im Wohnzimmer fast eine Stunde, das liegt aber neben meiner Trotteligkeit auch an der wirklich nicht gut gemachten Aufbauanleitung. Und sicher auch daran, dass das Material noch etwas steif ist. Das Youtube-Video zaubert einem den Aufbau in 5 Minuten vor. Leider sieht man nicht wirklich, wo die Feinheiten stecken.
Dennoch sind die 5 Minuten realistisch. Der Aufbau geht so.
- Das Origamipaket wird auseinandergeklappt.
- Die Fussstützen werden eingeschoben und arretiert.
- Das Boot wird in Form gebracht und mit den Strippen des Gepäcknetzes stabilisiert.
- Die vorderen und hinteren Stangenspanten werden eingehängt. Bei der Gelegenheit kann man auch gleich Auftriebskörper vor die Spanten bringen.
- Die Bootshälften werden über die Kederschiene auf dem Deck ineinandergeschoben und mit mehreren Laschen stabilisiert.
- Die beiden großen Vollspanten werden vor und hinter der Einstiegsluke arretiert.
- Der aufblasbare Sitz wird auf der stabilisierenden Bodenplatte befestigt und diese zwischen den großen Spanten eingeklinkt.
- Das Rückenkissen wird mit Gurten eingehängt und justiert.
- Die Gummiendstücke an Bug und Heck werden eingehängt und über einen Klappmechanismus befestigt.
- Fertig
Ein paar Tage lang bewundere ich das Kajak im Wohnzimmer, dann falte ich es wieder zusammen. Das ist wirklich in unter 5 Minuten machbar, alle Aufbaumaßnahmen müssen nur rückwärts ausgeführt werden. Nur am Schluß braucht es etwas Geduld, bis sich die beiden Hälften aneinander vorbei in sich zusammenfalten. Auf keinen Fall sollte man hier Gewalt anwenden, auch wenn das Nortilen Material wohl Fehlfaltungen verzeihen soll.
Ausgestattet mit einem zusätzlich erstandenen Nortik Carbonpaddel und einer zusammenschiebbaren Mini Sackkarre mache ich mich nun am Sonntagvormittag auf den Weg zur S-Bahn, um nach Köpenick zu fahren und dort auf eine Rundtour über Dahme, Seddinsee, Gosener Kanal und Müggelsee zu starten.
Doch schon nach wenigen Metern muss ich meinen Plan ändern. Quergepackt auf der Sackkarre trudelt die Kajaktasche hin und her. Der ausziehbare Griff der billigen Karre hat zuviel Flex, um den kopfsteinpflasterinduzierten Schwankungen entgegenzuwirken. Die S-Bahn ist fast einen Kilometer entfernt. Was nun? Mein Handy zeigt an, dass ein günstiges Carshare Auto direkt vor der Wohnungstür steht. Ich mache kurzentschlossen kehrt und schiebe das Kajak auf die Rückbank.
Am Metzerpark in Köpenick direkt an der Zusammenkunft von Spree, Müggelsee und Dahme angekommen, wuchte ich die Tasche wieder auf die Karre, diesmal hochkant und das geht viel besser – lesson learned.
Als ich das Origami-Kajak am Ufer aufbaue – auch dies geht jetzt schon viel schneller – bemerke ich einen anderen Paddler, der sein aufblasbares, ebenfalls erst vor kurzem erstandenes Pakboat aufbaut und wir kommen kurz ins Gespräch.
Das Einsteigen ins Kajak an der recht flachen Uferböschung geht einfach, das Nortik Fold liegt stabil im Wasser. Das ändert sich aber sofort, als ich lospaddele. Das Boot ist, obwohl breiter, viel wackliger als mein Prijon Seayak. Ich vermute, das ist der Origami Knickspant-Konstruktion geschuldet. Man muss im Wasser auf dem Knick im Boden balancieren und kippelt entweder nach rechts oder nach links.
Schon nach wenigen Metern muss ich eine echte Mutprobe bestehen, als ich unter der Strassenbrücke nach Köpenick in die Dahme einfahre. Ein Motorboot kommt in voller Fahrt von hinten auf und überholt mich in der nur ca. 7 Meter breiten Durchfahrt, statt einfach mal die 20 Meter hinterherzufahren. Was für ein asozialer Trottel. Und noch ein zweites kleineres Boot kommt nach. Dessen Kapitän ist eine typische Berliner Randgebiet-Kackbratze: rasiert, Stiernacken, mit schwammigen Muskeln bepackt, tätowiert – ein Ekelpaket, dumm wie Brot – sorry but true.. Die Heckwellen der beiden Motorboote klatschen rechts und links an die Spundwände der Durchfahrt, reflektieren dort und nehmen mich heftig in die Mangel. Mir bleibt die Spucke weg beim immerhin geglückten Versuch, mit heftiger Hüftakrobatik eine Kenterung zu verhindern und ich bin stummes Opfer der politischen Entscheidung, auch dem letzten Deppen in Berlin/Brandenburg 15 PS ohne Sportbootführerschein zu genehmigen.
Das Problem mit den hin- und her reflektierenden Kabbelwellen ist auf der Spree leider endemisch, normalerweise aber erträglich. Aber einem Anfänger würde ich das Nortik Fold nicht auf der Spree empfehlen.
Auch dem aufblasbaren Sitz gebe ich Mitschuld am kippeligen Verhalten. Er ist zwar bequem und platzsparend, die weiche Luftblase verhindert aber den direkten Kontakt von Hintern und Boot und macht Ausgleichbewegungen unpräzise. Schwierig ist auch das Einstellen der Rückenlehne. Mein Rundrücken stößt hinten an den Süllrand, der genau in der Mitte pikst, wo die beiden Kajakhälften aneinander stoßen. Auch die Einstellung der Fußrasten will erst gefunden werden.
Das Reisetempo ist, gelinde gesagt, gemächlich, ich lande schließlich bei etwas über 5km/h. Das Kajak ist eben recht kurz und nicht wirklich stromlinienförmig. Dafür ist das Nortik Tourenpaddel sehr angenehm und mit den schlanken Blättern anstrengungsfrei zu paddeln.
Ein weiterer Faltbootpaddler kommt mir auf der Dahme entgegen und fragt neugierig nach, wie sich das Origami-Kajak fährt. Eine gewisse Aufmerksamkeit ist also gewiss, wenn man Origamipaddler ist.
Am Ende der Regattastrecke Grünau mache ich Pause. Ich bemerke, dass sich das hintere Gummiabschlussstück etwas gelöst hat. Eins der beiden Hebelstücke ist lose, vielleicht vom Hochziehen aufs Ufer. Der Kanu-Connection Verkäufer hatte mich darauf hingewiesen, daß hier Vorsicht geboten ist. Das Kajak sollte nie über Grund schleifen, da dann das unten überstehende Heckstück drangsaliert wird und abreissen kann. Ok, wieder eine Lektion gelernt.
Ich merke, dass ich mit meinem Plan, über den Seddinsee, Gosener Kanal und Müggelsee zurückzufahren, zeitlich und vielleicht auch kräftemäßig nicht zurechtkommen werde. 30 km sind wohl etwas zuviel fürs erste Mal.
Aber das ist ja nicht schlimm. Wo immer Bus, Tram oder Bahn fahren, kann ich nun einfach aussteigen, alles zusammenpacken und Kurs Richtung Heimat nehmen. Ein Blick auf Googlemaps und die BVG Verbindungen zeigt mir, dass Schmöckwitz ein guter Aussteigeort wäre.
Nach der Pause wieder zu Kräften gekommen, mache ich bei Schmöckwitz noch einen kurzen Abstecher in den Seddinsee und entschliesse mich dann, unterstützt von einer Dose Redbull, noch weiter zu fahren bis nach Zeuthen, wo es ebenfalls eine S-Bahn-Verbindung gibt.
Ich habe mich nun an das Boot gewöhnt, außer der pieksenden Stelle im Rücken ist alles gut. Auch größere Wellen nehme ich nicht mehr nur frontal oder leicht quer von vorn, sondern wie sie kommen. Freihändig fotografieren ist aber noch etwas stressig.
Bei einem Yachtclub in Zeuthen frage ich, ob ich mit meinem Kajak anlanden kann. Das Zusammenfalten dauert nicht mehr als 5 Minuten und ich mache mich auf den Weg zur S-Bahn. Hochkant auf der Sackkarre und mit etwas Vorsicht bei Kopfsteinpflaster geht das auch über ein paar hundert Meter problemlos.
Mit der S-Bahn geht’s nach Adlershof, mit der Straßenbahn wieder ein Stück zurück Richtung Köpenick und ein paar Minuten später bin ich am Ausgangspunkt, wuchte das Kajak auf die Rückbank meines Mietwagens und sitze noch ein paar Minuten träumend an der Spree.
Ich bin happy. Auch wenn das Origami-Kajak kein vollständiger Ersatz für ein Festkajak ist: es kommt diesem doch schon recht nahe und macht mich jetzt superflexibel.