Rundtour auf dem Tegeler See
01.06.2024 - Kleine Nachmittagstour auf dem Tegeler See mit dem Nortik-Fold KajakLänge: 10 km
Der Tegeler See im Nordosten Berlins ist nach dem Müggelsee der zweitgrößte See Berlins. Auf meiner Haveltour habe ich ihn schon einmal gestreift, aber er liegt von der Havel aus recht gut versteckt hinter der Insel Valentinswerder. Angeblich kommt das Wort „Tegel“ aus dem Slawischen und bedeutet „Anhängsel“. Wenn das stimmt, ist der Tegeler See sowas wie der Blinddarm der Havel, aber so ein despektierlicher Ausdruck wird ihm nicht gerecht. Bei einer Umrundung kommen neben der Natur viele Aspekte der Berliner Geschichte in den Blick. Kurzum: der Tegeler See ist ein Pflichtprogramm für den Berliner Kajakfahrer und das will ich nicht versäumen. Am Borsigdamm im Osten befindet sich ein nicht überfüllter Parkplatz und daran schließt, nach Norden führend, der Damm als Spazierweg am Ufer an, der gute Einstiegsmöglichkeiten verspricht.
Leider ist das Wetter durchmischt und kaum bin ich am Wasser und baue das Origami-Kajak auf, gibt es einen ersten gewittrigen Sturzregen. In den letzten Jahren ist wohl nicht nur mir aufgefallen, dass der Juni regelmäßig viel zu heiß ist und sich die aufstauende Hitze nachmittags fast täglich in Gewittern entlädt. Dass dies nun schon am 01. Juni der Fall ist, zeigt die Pünktlichkeit dieses Phänomens.
Ich wettere den Regen kurz unter dem Uferbaumbestand ab und bin ansonsten durch Regenjacke und Spritzdecke wasserdicht verpackt.
Das Wetter klart schnell wieder auf und ich beginne die Rundtour gegen den Uhrzeigersinn. Der Fähranleger mit mächtigen Ausflugsschiffen kommt als erstes in den Blick.
Es folgt die Tegeler Hafenbrücke (sog. Sechserbrücke), bei der ein nächster kurzer Sturzregen runtergeht.
Unter dieser Brücke gelangt man zum Tegeler Hafen und zur Einmündung des Tegeler Fließes (immer einen Spaziergang wert). Bevor es die Brücke gab, musste man sich vom Fährmann für einen Sechser übersetzen lassen, daher der Name „Sechserbrücke“. Aber das ist über 120 Jahre her.
Linkerhand kommen schon bald die größeren Inseln im See in den Blick. 7 Stück scheint es zu geben: Hasselwerder, Lindwerder, Scharfenberg, Valentinswerder, Baumwerder, Maienwerder und Reiswerder.
Der Industrielle Borsig liess sich hier am Westufer Anfang des 20. Jhdts. auf trockengelegtem Sumpfland der Halbinsel Reiherwerder eine prächtige Villa, inspiriert vom Schloß Sanssouci, bauen, die durch die Bäume lugt. Heute dient sie als Ausbildungsstätte für die Akademie des Auswärtigen Dienstes, ist also sozusagen eine ziemlich luxuriöse Aufzuchtstätte für Elite-Diplomatenzöglinge.
Nach Osten kann man jetzt frei über den See blicken. Prächtige Wolkengebirge künden noch von den Witterungsschwankungen und im Hintergrund zeigen sich Hochhauskulissen der 70er (oder 80er?) Jahre vor dem Ufergrün. Der Schaufelraddampfer „Havelqueen“ dampft vorbei.
Das Wetter hat sich tatsächlich beruhigt. Es ist warm, aber nicht mehr so schwül. Der Regen hat aber das Strandbad Tegelsee am Westufer nahe der großen Insel Scharfenberg merklich geleert.
Nur wenige Wassersportler sind heute unterwegs. 2 oder 3 Kajakfahrer, einige Familien auf Tretbotrunde, interessanterweise auch kaum SUP-Boarder – ist diese Zeiterscheinung denn schon wieder passé? Aber es ist zu vermuten, dass es doch hauptsächlich der dramatisierende Wetterbericht war, der die Berliner lieber vor ihre Bildschirme und zu sozialer Medienkost geführt hat.
Ich paddle nach Südwesten zwischen der Insel Scharfenberg und dem Westufer hindurch. Die Insel ist mit der Fähre zu erreichen. Es befindet sich hier ein Internat Insel Scharfenberg, wie ich erst nach der Tour erfahre.
Der Schiffsverkehr zwischen den im Westen sich häufenden Inseln wird durch Befahrensregeln diszipliniert.
Hinter der Insel Valentinswerder fahre ich am äusseren Rand schon fast auf der Havel nach Süden und dann wieder Richtung Osten, wo sich ein grünes Idyll präsentiert.
Die Inseln haben auch den Wind abgeschirmt, der sich zwischenzeitlich aufgebaut hat und nun mit etwa 4 Windstärken aus Nordost kommt und über die Freifläche doch eine ziemliche Kabbelsee aufbaut.
Einige Jollenkreuzer sind unterwegs und auch eine Finn-Dinghi Einhand-Jolle rauscht mit beeindruckender Geschwindigkeit vorbei.
Gegen den Wind komme ich auf den letzten Kilometern schwer voran und das mit 4.20m doch recht kurze Nortik-Fold tanzt wie ein Korken auf den Wellen, hält sich aber wacker und ich bleibe auch ohne aufgezogene Spritzdecke trocken.
Je weiter ich nach Norden paddle, desto mehr beruhigt sich der See im Windschatten der Uferbewaldung wieder.
Ich lande schliesslich wieder exakt am Ausgangspunkt am Borsigdamm und die etwas tiefer liegende Nachmittagssonne lässt das Kajak aufleuchten.
Es war ein schöner, lohnender Rundkurs, wirklich kein schnöder Havelblinddarm, sondern ein interessantes Gewässer, das Anlaß zu vielfältigen Recherchen gibt, aber sich auch einfach so genießen lässt.