Marienwerder – Liebenwalde – Marienwerder (Finowkanal, Langer Trödel, Malzer Kanal, Oder-Havel Kanal)

02./03.06.2017 - 2-tägige Kajaktour entlang des 2016 neu eröffneten Langen Trödels, Teil der ursprünglichen Verbindung zwischen Havel und Oder.

Länge: ca. 32 km



Ursprünglich hatte ich an diesem Wochenende eine Tour auf der Tollense von Neubrandenburg bis Demmin geplant, aber eine drohende Wetterverschlechterung zwang zum Umdisponieren. Kurzerhand entschloss ich mich daher, den Langen Trödel als Fortführung des Finowkanals nach Westen bis nach Liebenwalde zu erkunden, dort zu übernachten und in einem Rundkurs über den Malzer Kanal und Oder-Havel Kanal wieder zurückzufahren, Wetter hin oder her.

Der lange Trödel ist durch Neubau und Eröffnung einer Schleuse am OHK seit 2016 wieder für den Bootsverkehr passierbar. Ich stieg also in Marienwerder am Steg des Gasthauses „Goldener Anker“ ein und paddelte los Richtung Leesenbrücker Schleuse, d.h. etwa 300 Meter.

Finowkanal Leesenbrücker Schleuse
Finowkanal Leesenbrücker Schleuse

Da ich zwischen den Schleusen eingestiegen war, wusste man dort natürlich nichts von meinem Kommen – ich stieg daher am erstmal am Schwimmsteg aus und machte mich bemerkbar. Die nette Schleusenwärterin öffnete die Schleuse sogleich, bat mich dann aber, noch zu warten, da ein Motorboot soeben noch von der Grafenbrücker Schleuse käme. Das dauerte leider erstmal eine ganze Weile und bremste meinen Elan, während ich in der Schleusenkammer dümpelte und die feuchten schlickigen Wände begutachtete. Nach 20 Minuten kam dann ein Schlauchboot mit 2 Rentnerpärchen angefahren, die von meinem Warten nichts wussten und mich in ihrer geschwätzigen Gruppendynamik ignorierten. Nun, dafür durften sie dann an der Ruhlsdorfer Schleuse etwa 2 km weiter auf mich warten, wenn auch keine 5 Minuten.

Finowkanal Schleuse Ruhlsdorf
Finowkanal Schleuse Ruhlsdorf

Auch wenn die ganze Schleuserei am Finowkanal etwas mühselig und zeitaufwendig ist, muss man lobend zugestehen, dass das Schleusenpersonal durchweg nett und kommunikativ ist und bei der Ausfahrt bereits den KollegInnen an der nächsten Schleuse Bescheid gibt. Ist man also einmal eingetaktet, geht es so zügig wie möglich voran und dauert nur noch ca. 15 Minuten pro Schleusung. Mich beschleicht manchmal ein etwas mulmiges Gefühl, wenn soviele Wassermassen für mein kleines Kajak bewegt werden, das ich mit etwas Mühe natürlich auch umtragen könnte. Auf der anderen Seite trage ich mit dem Schleusen aber vielleicht auch einen winzigen Teil dazu bei, dass die Infrastruktur des Finowkanals überhaupt erhalten bleibt und nicht nur die reichlich öde Wasser-Autobahn des OHK.

Hinter der Ruhlsdorfer Schleuse zweigt gleich rechts der Werbellinkanal ab, der ebenfalls erst seit ein paar Jahren neu erbaut und in Betrieb genommen wurde, aber bereits mit Problemen zu kämpfen hat. Anscheinend ist das Kanalbett oder die Deichaufschüttung mangelhaft und es droht ein Deichbruch. Ich weiss gar nicht genau, ob der Werbellinkanal deshalb aktuell überhaupt befahrbar ist. Am Weg entlang des Kanals ist jedenfallls ein Hinweis angebracht, dass das Befahren mit nichtmotorisierten Booten verboten sei, warum auch immer. Der etwas sterile Werbellinkanal ermöglicht eine schnellere Durchfahrt (ca. 2 km) zum Oder Havel-Kanal und führt dann weiter über den Pechteichsee nach Norden zum Werbellinsee (über die Schleusen Rosenbeck und Eichhorst). Ich paddele aber weiter nach Westen, wo nach ca. 3 km der Finowkanal in den Oder-Havelkanal mündet und direkt gegenüber die neue Schleuse zum Langen Trödel sichtbar wird.

Oder-Havel-Kanal Schleuse Langer-Trödel
Oder-Havel-Kanal Schleuse Langer-Trödel

Alles wirkt noch sehr neu, hellblau gestrichen und fast überdimensioniert. Neben der Schleuse wurde ein künstliches Dorf aus Holzferienhäusern und einer kleinen Privatmarina errichtet. Die Häuser werden grade teuer vermarktet, wirken aber noch nicht recht lebendig. An der neuen Schleuse selbst hat man einen Schwimmsteg für kleinere Boote und Kanus vergessen, etwas absurd, wie denn auch der Schleusenwärter zugesteht. Dafür dümpeln riesige Bojen als Abgrenzung zum OHK vor der Schleuse.

Oder-Havel-Kanal bei Zerpenschleuse
Oder-Havel-Kanal bei Zerpenschleuse

Als ich in die Schleuse einfahre, erfahre ich, dass diese erst heute für die Saison geöffnet wurde, wg. Baumarbeiten am Kanal. Da habe ich also Glück gehabt. Hinter der Schleuse wieder eine Reihe riesiger Bojen, dann zieht sich der Lange Trödel mit knapp 10 Meter Breite durch das Dorf Zerpenschleuse, das insgesamt einen etwas ärmlichen und trostlosen Eindruck macht, ganz so, als ob der wirtschaftliche Schock seit Eröffnung des OHK in 1914, der den Finowkanal auf einen Schlag überflüssig machte, immer noch nicht verdaut sei. Nur ein paar Meter hinter der ersten Zugbrücke, die per Kajak natürlich einfach unterquert werden kann, wurde eine alte Holzkirche saniert, alle anderen Gebäude warten darauf schon etliche Jahrzehnte.

Langer Trödel bei Zerpenschleuse
Langer Trödel bei Zerpenschleuse

Nun hört das Dorf Zerpenschleuse auf und der Lange Trödel sieht hier wirklich aus wie der Finowkanal, zu dem er einst gehörte, waldumsäumt und recht naturbelassen bis auf eine lange Reihe von kleinen Plastikbojen, die rechts und links das Fahrwasser markieren. Auf halber Strecke nach Liebenwalde kommen mir Ruderboote des örtlichen Vereins entgegen, die hier trainieren, oder vielleicht schon im Rahmen der Festivitäten aktiv sind. Der Himmel hatte sich schon seit einiger Zeit verdunkelt und nun fängt es tatsächlich an zu regnen. Ich rette mich für eine kleine Pause ans Ufer, allerdings hört der Regen nicht auf und ich muss die restlichen Kilometer wohl oder übel etwas feuchter paddeln.

Marina Liebenwalde
Marina Liebenwalde

Schon an der Schleuse habe ich erfahren, dass in Liebenwalde an diesem Tag das jährliche Hafenfest gefeiert wird. Mich beschleicht das Gefühl, dass der Abend nicht ganz ruhig verlaufen wird. Auf dem Dorf halten die Leute die Stille der Natur nicht wirklich aus und bollern bei jeder Gelegenheit mit Musik und Feuerwerk gegenan. Und tatsächlich erprobt im vorderen Teil der Marina bereits ein DJ den Soundpegel seiner Anlage, aus der üble deutsche Schlagermusik quillt. Ich paddele etwas weiter und steige im hinteren Teil der Marina kurz vor der Einmündung in den Malzer Kanal an einem flachen Holzsteg aus. Hinter der Steganlage, an der vor allem Charterkapitäne und Motorboote älterer Herrschaften auf grosser Kanalfahrt liegen, verläuft ein schmaler Rasenstreifen, der sich links direkt am Malzer Kanal etwas aufweitet zu einem idyllischen Fleckchen und als Zeltplatz genutzt werden kann. Der Hafenmeister für die Anmeldung ist grade nicht da und ich bestelle erstmal einen Kaffee und eine Frikadelle mit Brötchen am kleinen Imbiss der Hafenanlage, d.h. ich möchte bestellen, aber vor mir sind noch 2 Kunden an der Reihe und ich bekomme einen kurzen Kurs in Entschleunigung, denn für die 2 Bier, sowie Kaffee und Kuchen benötigt die Bedienung in Schildkrötentempo gefühlte 30 Minuten. Aber ich bin geduldig und bleibe ganz ruhig, der Provinzfaktor beginnt zu wirken. Der Regen hat aufgehört, es ist sogar etwas sonnig, die Temperatur ist angenehm, ich bin etwas erschöpft, aber angekommen und kann hier heute auch gar nicht mehr weg, vor der heranbrandenden Schlagermusik schalte ich auf Durchzug. Ich hoffe, dass das schlechte Wetter nicht zuviele Gäste des Hafenfestes auf die kleine Wiese lockt und baue mein Zelt dort auf. Der Hafenmeister war auf dem Steg zugange und ruft mir zu, nun kann ich mich anmelden. Zelten für eine Nacht kostet 7 Euro, das ist ok. Man erhält einen Code für die Sanitäranlagen, der bis zum nächsten Mittag gültig ist. Duschen kostet extra.

Wasserwanderrastplatz Liebenwalde
Wasserwanderrastplatz Liebenwalde

Ich mache mich auf den Weg zum Supermarkt, der allerdings fast 3 km entfernt am Ausgang von Liebenwalde liegt. Eine Gelegenheit, das kleine Städtchen zu erkunden, das mit historischem Rathaus und Museum, einer kleinen Parkanlage und einigen etwas verstaubten und am Samstagnachmittag bereits geschlossenen Geschäften einen recht friedlichen aber auch nicht sonderlich spannenden Eindruck macht.

Rathaus Liebenwalde
Samstag Nachmittag in Liebenwalde

Nach der Rückkehr zum Zelt ein kleiner Schock – an meinem idyllischen Plätzchen haben 2 Faltboote haltgemacht und mehrere kreischende Kinder tollen herum. Ich nicke freundlich und verziehe mich um die Ecke an den Malzer Kanal, um auszuruhen. Nach einer Stunde sind die Faltboote samt kreischender Zuladung zum Glück wieder verschwunden, in angemessener Entfernung hat noch eine Radlergruppe ihre Zelte aufgeschlagen. Dafür dreht jetzt die Schlagerparty auf Orkanstärke, Helene Fischer und Schlimmeres rauf und runter. Dies geht bis spät in die Nacht und ist mit Oropax nur ansatzweise zu mildern. Für dieses Jahr sind damit sicher alle bösen und auch guten Geister vertrieben aus Liebenwalde.

Malzer Kanal an der Marina Liebenwalde
Malzer Kanal an der Marina Liebenwalde

Mit der leichten Wetterbesserung ist es auch dahin. Seit dem frühen Morgen prasselt der Regen aufs Zelt, eine evtl. Besserung wäre erst am Nachmittag zu erwarten. Der Rückweg über Malzer Kanal, Liebenwalder Schleuse (Selbstschleusung, evtl. problematisch, wenn man allein ist, da der Schalter höhenmässig für die Motorschifffahrt ausgelegt ist) und Oder-Havel-Kanal gestaltet sich daher zu einer klitschnassen Partie, die Northface Regenjacke entpuppt sich mal wieder als schlechter Witz. Dennoch – bei moderaten Temperaturen und zumindest um die Beine mollig und trocken unter der Spritzdecke verpackt, ist das alles erträglich und im Regendunst gewinnt sogar der schnurgerade und sonst todlangweilige OHK eine mystische Anmutung.

Oder-Havel-Kanal im Regen
Oder-Havel-Kanal im Regen

Die Rückfahrt über die 2 Finowkanal-Schleusen klappt reibungslos und ich habe wieder ein Stück Heimatrevier kennengelernt.

Kartenansicht der Tour