Kleinglienicke – Potsdam – Havel – Pfaueninsel – Wannsee – Griebnitzkanal
27.08.2017 - Kajak-Rundtour im Berliner Süden auf Havel und WannseeLänge: 23 km
Eigentlich hatte ich an diesem Wochenende eine 2-Tagestour auf der Havel um Potsdam herum geplant, doch der Wetterbericht drohte den ganzen Samstag mit Regen, der aber nicht eintrat. Die App Weather Pro, die ich zu Rate ziehe, macht zwar schöne Grafiken, aber das ist es leider auch schon. Eine erhebliche Verbesserung wäre es schon, wenn zumindest das aktuelle Wetter vor der Tür übereinstimmen würde mit den Angaben der App. Dann hätte man das Gefühl, dass Prognose und Wirklichkeit zumindest in der Gegenwart zusammenfinden. Aber das ist wohl trotz tausender Messstationen, Radar, etc. nicht zu erwarten für 3,99 €. Nun gut, zumindest den sonnig angekündigten Sonntag will ich mir nicht entgehen lassen. Allerdings sind anstelle von bisher lauschigen 2 Windstärken nun stramme 4-6 Beaufort aus West vorausgesagt und damit hatte die App ausnahmsweise recht, wie ich feststellen muss.
Die Anfahrt über Avus und Potsdam Babelsberg klappt problemlos und ich kann in Klein Glienicke am Ende der Waldmüllerstrasse noch den letzten kostenfreien Parkplatz ergattern. Mit dem Kajakwagen verbringe ich das Bavaria Kajak etwa 300m an einen winzigen Sandstrand des Biergartens Bürgershof schräg visavis vom Dampfturbinenhaus des Babelsberger Schlosses – die Ufer des Griebnitzkanals, der hier in die Havel mündet, sind mit Spundwänden befestigt und zu hoch zum Einsteigen. Beim Ablegen bemerke ich allerdings ein Verbotsschild des Biergartens, welches das Anlegen von Booten jeglicher Art untersagt. Zu spät.
Die Fahrt geht nun westwärts aus dem Griebnitzkanal heraus und dann südwärts über den Tiefen See ins Potsdamer Zentrum. Sofort macht sich der Wind unangenehm bemerkbar. Steife Böen aus West riffeln das Wasser, das schon eine mittlere Kabbelwelle aufgebaut hat. Das eigentlich Nervige sind dabei aber die kreuz und quer sich dazugesellenden, teilweise reflektierten Wellen der Hundertschaften von Motoryachten und Ausflugsdampfern, die hier die Gewässer bevölkern, ununterbrochen auf Konfrontationskurs entgegenkommen und die ganze Tour zu einer stressigen Angelegenheit werden lassen. Das Bavaria Rallye hüpft wie ein Korken auf diesen Kreuzseen und lässt sich nur mühsam steuern. Leider hat es auch die unangenehme Eigenschaft, bei seitlichem oder leicht raumen Wind sofort anzuluven, so dass es nur durch ständiges Aufkanten und kräftezehrend einseitige Paddelschläge auf Kurs zu halten ist. Es ist wirklich nur ein Boot für den kleinen Wiesenfluss oder windstille Tage, wie ich feststellen muss.
Die Potsdamer Stadtkulisse kommt schnell näher und die Frage, wie herum ich die Freundschaftsinsel umrunden würde (zuerst Alte Fahrt oder Neue Fahrt) ist schnell geklärt. Das Befahren der Neuen Fahrt ist nicht motorgetriebenen Booten gar nicht erst erlaubt.
Auf der kanalartigen Strecke der Alten Fahrt tummeln sich Tretbootfahrer eines dortigen Verleihs. Etwas pittoresk wirkt ein weißes Porsche Cayenne Tretboot mit vier rot verschleierten Frauen, die ihren Spaß haben. Potsdam und Schloss Sansoucci scheinen Besuchermagnete auch für Touristen der arabischen Welt zu sein. Bleibt nur zu hoffen, dass das Porsche-Tretbootfahren nicht eine reine Ersatzhandlung für das Frauen-Fahrverbot in der Heimat ist. Am Ende der Alten Fahrt zeigt sich mit dem Kontrast zwischen 50er Jahre Mercure Hotel und dem klassizistischen Brandenburger Landtag ein interessantes Panorama. Der ruhige Charakter der Alten Fahrt wird hier auf den letzten Metern übrigens dadurch getrübt, dass hier die Schiffe der Weißen Flotte einen Anleger haben und aggressiv und mit mächtiger Heckwelle einfahren. Nach dem Potsdam Abstecher paddle ich zurück über den Tiefen See Richtung Glienicker Brücke und unten durch.
Als sich dahinter die Havel nach Westen öffnet, wird es wieder ruppig. Ich lege hinter einer Reihe von Holzpflöcken, die den Schwell abmildern, eine kurze Rast ein. Kurz nach dem Weiterpaddeln rauscht eine größere weiße Plastikbecher-Motoryacht vorbei. Ich passe nicht richtig auf und ein schöner Schwall Havelwasser rauscht seitlich über den Süllrand ins Boot. Die kommenden Kilometer lassen mich an die schöne Zeit zurückdenken, als ich noch Windeln trug. Die Fahrt geht ostwärts, innen an der Pfaueninsel vorbei und dann hinein in den großen Wannsee. Hier dominieren die Segler, die sich zum Glück gut auf der Seenfläche verteilen und mitunter in den Böen stark Lage schieben, ein schöner Anblick.
Das Strandbad Wannsee erscheint mit seinen klaren architektonischen Linien am gegenüberliegenden Ufer und ich staune über die auf der gegenüberliegenden Seite gelegenen großen Yachthäfen.
Unter der Brücke Königstrasse hindurch geht es nun in den kleinen Wannsee und die über den Griebnitzkanal verbundene Seenkette: kleiner Wannsee, Pohlesee, Stölpchensee, Griebnitzsee. Wer unter Sozialneid leidet, sollte hier lieber nicht entlangpaddeln – alte und neue Millionenvillen reihen sich ununterbrochen aneinander, oft mit millimetergenau manikürten Rasenflächen und eigenem Bootssteg versehen.
Die fetten Jahre sind hier offensichtlich noch lange nicht vorbei. Langsam müde frage ich mich auch, warum ich mir das alles ansehen muss und halte Ausschau nach einer Rastmöglichkeit an dieser vollprivatisierten Uferlandschaft. Tatsächlich bietet sich ein Kontrastprogramm, als sich an Backboard die Uferstrecke des Hundeauslaufgebietes Düppel anschließt. Einige etwas angeprollte Hundebesitzer in Unterhemd schicken ihren panisch jaulenden Köter ununterbrochen ins Wasser zum Stöckchenholen. Trotzdem lege ich an einer flachen Stelle an und schwinge mich gekonnt aus dem Kajak. Nur habe ich sinnigerweise vergessen, dass das Handy direkt unter der Spritzdecke auf meinem inzwischen wieder trockenem Schoss liegt. Unbemerkt fällt es ins Wasser, was ich erst einige Minuten später entdecke, als ich ein Foto machen will. Natürlich ist das Ding nicht wasserdicht und ich befürchte Schlimmes, als ich den kleinen schwarzen Riegel in 30cm Tiefe entdecke. Doch zum Glück funktioniert es noch und wird sofort ausgeschaltet zum Trocknen, womit es mit dem Fotografieren vorbei ist auf dieser Tour.
Ich schlinge schnell noch etwas Kartoffelsalat hinunter und entfliehe dem unerträglichen Hundegejaule und dem trübseligen Anblick seines Herrchens in Unterhemd und Bierflasche. Einige Meter weiter am Griebnitzer See zweigt der Teltowkanal nach Osten ab, der dreckigste Kanal Berlins, dessen trübe und giftige Jauche nach der Wende zwar ein wenig geklärt wurde, aber immer noch droht, die Qualität des Wannseewassers und damit vielleicht auch die Lebensqualität der millionenschweren Anwohner in ihren Villen zu korrumpieren.
Auf den letzten Kilometern gerate ich noch in einen versteckten Wettbewerb mit einem ebenfalls allein paddelnden älteren Herren in einem schlanken aber recht kurzen Kajak, den ich zunächst überhole, der dann aber wieder aufkommt und mich in meiner breiten Bavaria Badewanne irgendwann abgeschlagen zurücklässt, touché.
Der Ausgang des Griebnitzkanals in die Havel und damit auch mein Ausgangspunkt kommt wieder in Sicht. Diesmal ist das Verbotsschild zum Anlegen beim Biergarten eindeutig zu sehen, aber mangels Alternative schlüpfe ich schnell aus dem Kajak und deponiere es seitlich vom Ministrand. Es interessiert auch niemanden. Immerhin gewinnt der Bürgershof dadurch noch einen glücklich erschöpften Gast für ein erfrischendes Radler.
Fazit der Tour: Interessant und vielseitig, aber doch etwas stressig bei Wind und Sonntag. Der Wannsee als Wasser-Soziotop und Querschnitt der Berliner Gesellschaft vom schwimmenden Schrebergartenhäuschen bis zur überdimensionierten Protzyacht.