Kajak-Tagestour im Rheinsberger Seengebiet: Rheinsberg – Canow
15.06.2024 - Nachmittägliche Tour im Rheinsberger Seengebiet vom Park Schloss Rheinsberg bis Campingplatz am Labussee bei CanowLänge: 16,6 km
Fast habe ich mich daran gewöhnt, als Solopaddler allein in der Natur unterwegs zu sein. Immerhin kann man in Ruhe seinen Gedanken nachhängen, seinen eigenen Pace setzen und muss nicht über Tagesziele, Pausen, etc. diskutieren. Man paddelt sozusagen reflektierend den eigenen Lebensfluß hinab und denkt sich: Ich paddle, also bin ich. Dass es auch noch andere Menschen gibt und nicht nur Wasser, Wald, Wiese, Fisch, Vogel, Mücken und anderes Getier gibt, ist nett, aber meist nicht von primärem Interesse.
Diese Tour stellt aber eine Ausnahme dar. Mein schon lang erwachsener Sohn hat Interesse an einer gemeinsamen Kajak-Tour angemeldet und ich freue mich auf ein Vater-Sohn-Erlebnis in der Natur. Natürlich hoffe ich, dass es ihm gefällt. Nicht ganz einfach, so eine Tour zu planen. Ich möchte das Erlebnis auf keinen Fall versauen. Es ist Gewitter angesagt, dazu frischer Wind aus Südwest. Also schaue ich nach, wann sich die Gewitter wohl verzogen haben werden und idealerweise geht die Tour nach Nordost mit Rückenwind und nicht über allzugroße Seen mit Kabbelwellen. Mein Sohn ist kräftig, aber er hat keine Paddelerfahrung. Aus meiner Jugend kenne ich noch die schmerzenden und quälend lahmen Muskeln bei einer zu ehrgeizig angelegten Tour.
Zur Disposition stehen daher 3 Touren mit unter 20 km Länge:
- Auf der Havel von Zehdenick nach Templin mit Übernachtung
- Ebenfalls auf der Havel vom Käbelicksee zum Jamelsee und dortigem Zeltplatz
- Von Rheinsberg nach Canow
Da ich das nette Städtchen Rheinsberg schon mal bei einer Rhintour besucht habe, die nördlichen Seen aber nicht kenne, die Windrichtung günstig scheint und auch zwischendurch einige Zeltplätze für einen vorzeitigen Stopp v.h. sind, fällt die Entscheidung auf Tour No. 3.
Wir fahren zunächst nach Rheinsberg, um uns nach einer Einstiegstelle umzuziehen. Tatsächlich findet sich direkt am Schloß Rheinsberg eine Parkwiese, auf der schon ein paar Kajaks lagern. Und nur wenige Meter davon befindet sich ein kostenpflichtiger Parkplatz. Wir müssen aber zunächst nach Canow fahren, um das Fahrrad für die Rückholaktion auf dem Zeltplatz Kanu-Camping Canow abzustellen. Wieder in Rheinsberg angekommen, taucht pünktlich eine dunkle Wolkenfront von Südwesten auf. Noch während ich das Auto parke, ergiesst sich ein Sturzregen sondergleichen, der aber zum Glück nur 15 Minuten währt. Mein Sohn, der auf Boote und Gepäck aufgepasst hat, ist unter den Parkbäumen einigermassen trocken geblieben, und wir können losfahren.
Gleich zeigt sich hier das erste Handycap. Den Rhin, der hier über ein Wehr nach Süden abfließt und als Schlossgraben fungiert, überqueren 2 niedrige Brücken. Die Durchfahrthöhe von ca. 1m reicht aber grade noch, um mit ein paar Yogaübungen im Kajak darunter durchzufahren.
Wir paddeln erst seitlich und dann an der prächtigen Frontkulisse des Schlosses vorbei. Im Westen zeigt sich eine schöne Parklandschaft am gegenüberliegenden Ufer des Grienericksees. Dieser erstreckt sich über etwa 1,4 km nach Norden und hat eine Breite von max. 800 Metern.
Meine Befürchtung, dass der recht frische Wind hohe Wellen auftürmen könnte, tritt nicht ein, auch wenn es keine Ententeich-Verhältnisse sind. Allerdings hat mein Sohn mit dem Bavaria Rallye Kajak, dessen Steueranlage nicht montiert ist, doch einige Kursprobleme. Wie von Geisterhand dreht das Kajak immer nach links und will nicht gradeaus fahren. Ich bin verdutzt. Klar ist das ein wendiges Flusskajak, das sehr empfindlich auf die Paddelschläge reagiert, und sich beim Einstellen des Vortriebs schnell querlegt. Aber grade durch die Wendigkeit lässt es sich eigentlich gut steuern. Möglicherweise übt er als Rechtshänder unbewußt stärkere Kraft auf der rechten Seite aus – dazu kommt der Wind seitlich von hinten und versucht, das Boot quer zum Wind zu drehen. Auch das intuitive leichte Aufkanten zur Unterstützung der Kurskorrektur kennt er noch nicht. Er hält aber tapfer durch und im Verlauf der Tour bessert sich das Navigationsverhalten etwas. Merke also: Anfänger sollten bei einer längeren Tour auf jeden Fall durch eine Steueranlage unterstützt werden, insbesondere wenn man sie als künftige Mitpaddler behalten möchte.
Über ein etwa 700m langes Verbindungsstück gelangen wir nun in den großen Rheinsberger See. Es geht über 1,8 km weiter nordwärts. Im Rheinsberger See federt eine westlich gelegene kleine Insel den Wind etwas ab, der dann kurz vor Erreichen des Repenter Kanals noch einmal zunimmt und etwas Wellen mit sich bringt.
Vor dem Kanal müssen wir wegen Gegenverkehr kurz warten und lassen auch noch einige Motoryachten vorfahren. Im schmalen baumgesäumten Kanal ist endlich Ruhe vor dem Wind und die Eindrücke wechseln. Nach knapp 2 km erreichen wir den Schlabornsee, an den sich wieder ein Stück Kanal anschließt (Jagowkanal).
Ausflugsdampfer kommen von hinten und vorne auf. Sie verursachen einen staubsaugerartigen Sog, der den Wasserstand kurzzeitig um etwa 70cm senkt und dann wieder hebt, sind aber ansonsten friedliche Gesellen.
Der Tietzowsee mit Ausrichtung Nordost schließt sich an und gibt uns für etwas mehr als 1 km Rückenwind.
Über ein weiteres kurzes Kanalstück erreichen wir den Großen Prebelowsee, den wir aber gleich wieder ostwärts verlassen, um einen längeren Kanalabschnitt zu befahren. Im Hüttenkanal ist nach etwas 1,5 km die Schleuse Wolfsbruch zu passieren. Eine gemietete Motoryacht mit einer leicht angeschickerten Herrenpartie liegt vor uns in der Schleuse.
Hinter der Schleuse geht es auf dem Hüttenkanal noch einmal 1 km weiter bis zum kleinen Pälitzschsee, den wir passieren, bis westlich um die Ecke der Canower See mit frischem Gegenwind anschließt. Mein Sohn hält tapfer durch. Etwas besser scheint es schon geworden zu sein mit der Kursstabilität des Kajaks. Nach 1,8 km erreichen wir rechterhand die Schleuse Canow. Hier muss umgetragen werden, aber eine etwas schwerfällige Lore steht bereit und will mit einer langen Eisenkette gezogen werden.
Wir sind nun fast am Ziel. Auf dem Labussee sind es nur noch einige hundert Meter am südlichen Ufer entlangzupaddeln bis zum Naturcampingplatz Kanucamp Canow.
Der Platz ist angenehm. Keine Massencamper, keine Gartenzwerg-Dauercamper – nur ein paar Angler, kleine Familien und ein paar alteingesessene, eher alternativ angehauchte Gäste sind auf dem Platz. Die Dusche ist heiß und geizt nicht mit Wasser, so dass mein Sohn die vom ewigen Kurshalten müden Schultermuskeln ein wenig entspannen kann.
Am nächsten Morgen fahre ich mit dem Fahrrad zurück nach Rheinsberg, um den Wagen zu holen. Ich kann nur raten, nicht der Google Routen-Empfehlung für Fahrräder zu folgen. Denn die vorgeschlagene Wegstrecke führt durch öde Waldstücke mit sandigen Wegen ohne viel Aussicht. Es geht hoch und runter. Google scheint hier eine Art A-B Streckentesting durchzuführen und mich als Testfahrer auserkoren zu haben. Wer von Canow zügig nach Rheinsberg will, sollte die Bundesstr. 122 nehmen.
Dummerweise verliere ich in Kleinzerlang beim Fotografieren, ohne es zu bemerken, auch noch meine Handyhülle, in der Personalausweis, Führerschein, Krankenversicherungskarte, EC-Karte und Bargeld, kurzum meine gesamte Identität stecken. Für ein paar Tage bin ich in der Schwebe: Soll ich alles verloren geben, die Karten sperren lassen, einen Termin in 6 Monaten für einen neuen Personalausweis beim Bürgeramt machen, oder liegt doch alles irgendwo herum? 3 Tage später erreicht mich verzweifelt Identitätslosen in Berlin ein erlösender Brief, in dem sich die Hülle unversehrt mit allen Dokumenten und dem Geld befindet. Das alles hatte ein ehrlicher – leider anonymer – Finder in einem Hotel-Resort an der Strecke abgegeben. Ich danke tausendfach.
Am Parkplatz in Rheinsberg angekommen, bemerke ich, dass sich direkt am anderen Ufer des hier munter strömenden Rhinbaches ein Kajakverleih, der eine beliebte Strecke bis Zippelsförde anbietet, die ich vor vielen Jahren mit meiner Frau gefahren bin. Auch mit dem eigenen Kajak könnte man hier bequem starten.
Fazit: Eine schöne Kajaktour. Im anschließenden Müritz-Seen-Park könnte man noch tagelang weiterpaddeln. Und ich scheine als Vater nicht vollständig versagt zu haben, denn mein Sohn ist trotz der Schulterblessuren durchaus bereit, in, sagen wir mal etwas fernerer Zukunft, noch einmal eine Tour mit mir zu planen, vielleicht dann mit einem größeren Kajak und mit Steueranlage.