Haveltour – von Zehdenick nach Henningsdorf

19.05.- 21.05.2023 - 3-tägige Kajaktour auf der oberen Havel über Zehdenick, Liebenwalde und Oranienburg bis zum Stadthafen Henningsdorf

Länge: 54 km



Die Kajaksaison 2023 ist eröffnet und ich habe mir vorgenommen, in diesem Frühling und Frühsommer mein Havel-Tourenpuzzle aus dem letzten Jahr zu komplettieren und die Havel weiter bis nach Havelberg und zur Mündung in die Elbe entlangzupaddeln. Im Vorjahr hatte ich es dank eines milden Spätherbstes in mehreren Touren mit Start vom Havel-Quellgebiet am Käbelicksee bis nach Zehdenick geschafft. Und ein paar Wochen davor war ich bereits durch die städtische Havel von Henningsdorf nach Wannsee gepaddelt. Das fehlende Havel-Puzzleteil, bevor es vom Wannsee aus Richtung Elbe geht, ist daher die Strecke Zehdenick bis Henningsdorf – eine Strecke von etwa 54 km.

Tag 1: Zehdenick bis Liebenwalde (17 km)

Ich setze wieder exakt im trügerisch idyllischen Dickicht der kleinen Havellagune beim Parkplatz der Festwiese Zehdenick ein, an der ich letztes Jahr ausgestiegen war. Trügerisch, weil der faulig miefende Schlamm des flachen Wassers zusammen mit Milliarden blutgieriger und von Frühlingsgefühlen beflügelter Moskitos nur auf dem Foto einladend ist.

Kajak-Einstiegsstelle Zehdenick
Einstiegsstelle bei der Festwiese Zehdenick

Mit Mückenspray präpariert, bin ich aber schnell auf dem Wasser und nach wenigen Paddelschlägen schon an der Stadtschleuse Zehdenick, die wie alle weiteren Schleusen bis auf die Lehnitzschleuse bei Oranienburg im Selbstbedienungsbetrieb läuft.

Stadtschleuse Zehdenick
Vor der Stadtschleuse Zehdenick

Drei Meter tiefer geschleust, beginnt die Fahrt auf der Havel, die sich in voller Frühlingspracht zeigt. Nein, Moment mal. Nicht die Havel, sondern der Voßkanal beginnt hier, der bis Liebenwalde führt, um sich dort hinter der Schleuse in den Malzer Kanal zu verwandeln.

Havel südlich von Zehdenick
Auf der „Havel“ südlich von Zehdenick

Und wo ist sie denn, die wahre Havel? Direkt westlich des Voßkanals verläuft die Schnelle Havel bis nach Oranienburg, ein mäanderndes Wiesenflüsschen, das ausser im Sommer und erst ab Liebenwalde nicht befahren werden darf. Auf Wikipedia wird die Schnelle Havel aber als Nebenlauf der Havel bezeichnet, nicht als die Originalhavel. Wahr ist wohl: Fast die gesamte Strecke, die nun vor mir liegt, über Voßkanal, Malzer Kanal und Oder-Havel-Kanal ist nur ein Surrogat, ein künstlicher Bypass der eigentlichen Havel, die sich irgendwie dünne gemacht hat, als man die Wasserwege für die gigantischen Ziegeltransporte aus den Zehdenicker Tonstichen gegraben hat, mit denen man die Millionenstadt Berlin aus den Havelsümpfen erbaut hat. Da wo Havel war, ist jetzt Kanal. Immerhin kann man sagen, dass das Gros des „echten“ Havelwassers durch diese künstlichen Wasserstraßen geleitet wird. Insofern ist das also alter Havelwein in neuen Kanal-Schläuchen, der mein Kajak vor die Tore Berlins tragen wird.

Havel zwischen Zehdenick und Liebenwalde
Zwischen Zehdenick und Liebenwalde

Rein optisch bietet der Voßkanal aber ähnliche Reize wie die echte Havel, die ja ebenfalls befestigt, begradigt und schon an der Quelle umgeleitet wurde. In sattem Maigrün flankieren Buchen, Eichen, Erlen, Birken und Kiefern die schilfbesäumten Ufer. Erst wenn man pausieren will, bemerkt man die omnipräsenten Steinpackungen der Uferböschung, die dem Kajakrumpf nichts Gutes wollen. Man kann zwar zur Not überall probieren, auszusteigen, aber die eine oder andere Schramme wird sich dabei nicht vermeiden lassen. Schade, dass nicht öfter mal ein wenig Sand aufgeschüttet wird, um einen kleinen Strand zum Anlanden und Pausieren für Kanuten zu schaffen.

Voßkanal zwischen Zehdenick und Liebenwalde
Voßkanal zwischen Zehdenick und Liebenwalde

Ich habe schon beim Recherchieren nach Übernachtungsmöglichkeiten gemerkt, dass der Kanutourismus nicht wirklich Priorität in Brandenburg hat. Ebenso wie hier mit Fahrradwegen gegeizt wird, während auf den Bundesstraßen munter gerast wird, hat man auch die nichtmotorisierten Wassersportler nicht auf dem Plan, während den Motorbooten der Freizeitkapitäne in vielen Marinas der Hof gemacht wird. Auch bei den Schleusen sucht man Kajakstege vergeblich. Immerhin sind die grünen Selbstbedienungshebel tief genug geführt, so dass man hier leicht dran kommt.

Wolkenkulisse am Voßkanal
Wolkenkulisse am Voßkanal

Genug gejammert an dieser Stelle. Ein sanfter Rückenwind schiebt mich voran, das Wetter ist mild, heiter bis wolkig und mein Ziel Liebenwalde kommt schon bald näher.

Auf dem Voßkanal Richtung Liebenwalde
Auf dem Voßkanal Richtung Liebenwalde

Direkt am Kilometer 0 zweigt links hinter einer blauen Klappbrücke der Lange Trödel ab, ein Teil des Finowkanals, der erst von ein paar Jahren wieder schiffbar gemacht wurde. Und genau an diesem Eck liegt die kleine Marina Liebenwalde, wo ich bei einer Rundfahrt über Finowkanal, Langer Trödel, Malzer Kanal und Oder-Havel-Kanal vor einigen Jahren schon schon einmal übernachtet hatte.

Marina Liebenwalde - Voßkanal Kilometer 0
Voßkanal Kilometer 0 – Marina Liebenwalde

Ganz automatisch baue ich schnell mein kleines Zelt wie damals auf der winzigen, aber frisch gemähten Biwakwiese auf und suche den Hafenmeister, um mich anzumelden. Aber in dem kleinen Gebäude, in dem der Hafenmeister seinerzeit zugegen war, befindet sich jetzt ein Kajakverleih, der grade nicht geöffnet hat. Und das Cafe ist auch nicht mehr da. Eine Frau verweist mich auf die andere Straßenseite, wo sich nun Cafe-/Restaurant und weitere Anlagen der Marina oder vielmehr des Stadthafens Liebenwalde befinden. Nun, den kleinen Biwakplatz gäbe es gar nicht mehr, dafür aber eine Zeltwiese hinter den Anlagen, wo ich biwakieren kann, erklärt die Bedienung. Die Sanitäranlagen seien offen, da das Eingangskreuz defekt ist. Nachts gibt es einen Code, Duschen kostet einen Euro und bezahlen kann ich morgen. Im Übrigen hat man einen schönen flachen Schwimmsteg im Hafenbecken gebaut – ich hätte nur um die Ecke paddeln müssen. Ärgerlich, dass ich so vorschnell war. Denn ich bin rechtschaffen erschöpft von meiner ersten Tour in diesem Jahr. Ich baue also mein Zelt zähneknirschend wieder ab, transportiere es mit dem Kajak auf dem Kajakwagen über die Straße und schlage es auf der geräumigen Zeltwiese mit überdachten Sitzgelegenheiten wieder auf.

Biwakplatz Marina Liebenwalde
Zeltwiese Marina Liebenwalde

Nach einer kleinen Pause besuche ich das bis 18h geöffnete Restaurant und genehmige mir eine Currywurst mit Pommes rot/weiss, die wirklich ausgesprochen lecker ist. Danach mache ich mich auf zum Supermarkt, um noch weiteren Proviant einzukaufen. Dieser war bisher leider fast 2 Kilometer entfernt von der Marina an einer Ausfallstraße gelegen. Umso überraschter bin ich, als ich schon nach einigen Metern auf der Berliner Straße auf einen riesigen Lidl-Markt stoße. Nur leider hat der noch gar nicht auf, wie mir fünf Security-Leute erklären, die mich einkreisen und aufhalten, als ich mich dem Eingang nähere. Ich bin wohl etwas vorschnell durch eine Lücke der Gitterzäune geschlüpft und hatte mir schon sowas gedacht. Die Eröffnung wäre erst am kommenden Montag – es ist Freitag. Und ja, der alte Lidl hat nun leider schon zu – aber es gäbe einen Netto, der noch etwas weiter am Ortsausgang gelegen ist. Es wird also doch ein längerer Spaziergang durch Liebenwalde für die müden Knochen, aber ich entdecke auf dem Rückweg noch den Mühlensee, einen netten kleinen Stadtsee der Liebenwalder, um den man flanieren kann. Bis auf ein Radwandererpaar mit zwei Kindern, die ihre Zelte noch aufgeschlagen haben, bin ich allein auf der Wiese und die Nacht verläuft ruhig.

Tag 2: Liebenwalde bis Oranienburg (22 km)

Frisch geduscht baue ich am nächsten Morgen nach dem obligatorischen Müsli-Frühstück alles ab, transportiere mein Kajak zum neuen Schwimmsteg, drücke einem Hafenbediensteten 5 Euro Übernachtungsgebühren in die Hand und mache mich auf den Weg nach Oranienburg.

Schwimmsteg Marina Liebenwalde
Schwimmsteg Stadthafen Liebenwalde

In der Schleuse Liebenwalde fährt hinter mir ein grösseres älteres Motorboot ein. „Bonjour“, sagt der Kapitän. Es sind anscheinend Franzosen, die auf einer langen Tour durch Deutschland cruisen.

Schleuse Liebenwalde
Schleuse Liebenwalde

Die Schleuse hat nur 1,81 Meter Fallhöhe und ist schnell durchquert. Der dahintergelegene Hafenbereich ist hässlich und mit Spundwänden verschanzt, wird aber gern von Anglern angesteuert, da es hier wohl gute Zander geben soll, die sich im Schleusenwasser tummeln. Überhaupt sind Angler an den Ufern omnipräsent. Mit ihren großen Karpfenzelten campieren sie tagelang und gut ausgerüstet in grösseren Gruppen in wilder Natur. Sicher ein erholsamer Zeitvertreib, aber ich frage mich, warum dann das Biwakieren mit einem kleinen Zelt für Kanuten eigentlich illegal sein soll. Ein Jedermannsrecht für das umsichtige Übernachten in der Natur wäre in Deutschland endlich einmal angebracht. Denn die weitere Planung ist nicht so ganz eindeutig. Mein Tagesziel ist der Schlosshafen Oranienburg. Aber auf dessen Webseite ist neben Gastliegeplätzen für Boote nur ein Wohnmobilstellplatz ausgewiesen. Von Zeltmöglichkeiten ist nicht die Rede. Nach anderen Campingmöglichkeiten in Oranienburg kann man vergeblich googeln. Nur auf den gelegentlichen und nicht immer taufrischen Infotafeln der Wasserwanderrastplätze ist eine Zeltmöglichkeit am Schlosshafen ausgewiesen, was mir etwas Hoffnung macht.

Schon bald mündet der Malzer Kanal in den Oder-Havel-Kanal, der nach Osten zum Schiffshebewerk Niederfinow führt und nach Südwesten Richtung Berlin.

Oder-Havel-Kanal - Abzweig Malzer Kanal
Oder-Havel-Kanal – Abzweig Malzer Kanal

Auf dem Oder-Havel Kanal sind nun ganz andere Kaliber an Schiffen unterwegs. Es sind vor allem große Schrott-Transporte, die zwischen Polen und Deutschland unterwegs sind. Sie erzeugen etwas Sog, so dass man bei entgegenkommenden Schiffen ein kurzes Stück abwärts fährt. Dann wird’s kurz etwas strudelig vom Schraubenwasser und dann ist es wieder gut.

Frachtschiff auf dem Oder-Havel-Kanal
Frachtschiff auf dem Oder-Havel-Kanal

Auf der Strecke Richtung Berlin ist der OHK gar nicht so eintönig, wie ich befürchtet hatte und wie er Richtung Niederfinow auch tatsächlich ist. Ganz im Gegenteil sehe ich hier sogar nach Jahren zum ersten Mal wieder einen Eisvogel in seinem blauen Gefieder über die Wasseroberfläche schwirren. Einmal platscht es ganz gewaltig am Schilfrand und ein Biber (vielleicht auch ein Nutria, jedenfalls größer als eine Bisamratte und nicht so struppig) taucht blubbernd vor meinem Kajak durch und verharrt plötzlich unter Wasser, aber ohne aufzutauchen. Ein Graureiher sitzt majestätisch steif auf der Lauer.

Graureiher am Oder-Havel-Kanal
Graureiher am Oder-Havel-Kanal

Leider gibt es hier aber auch noch eine weitere endemische Spezies – die gewöhnliche Arschgeige am Steuer einer Motorjacht. Während viele Boote aus Rücksicht auf Kanuten beim Vorbeifahren etwas Gas wegnehmen, fährt dieser Typ stoisch mit überhöhter Geschwindigkeit von hinten auf. Vermutlich hat er Torschlusspanik vor der Lehnitzschleuse oder er ist einfach nur dämlich und asozial. Ich überlege noch kurz, zu wenden und die Heckwelle von vorne zu nehmen, aber zu spät. Eine schöne Welle steigt von hinten über den linken Süllrand ein und lässt mich als begossenen Pudel mit nasser Hose zurück.

Brückenruine am Oder-Havel-Kanal
Brückenruine am Oder-Havel-Kanal

Mit meiner löchrigen Spritzdecke, die ich wohl von Anfang an hätte tragen sollen, decke ich mich notdürftig ab, um nicht noch die Blase zu verkühlen. Denn der Tag ist deutlich kühler als gestern und die Wolken sollen sich erst zum Nachmittag verziehen.

Dass mein Plan, nördlich von Oranienburg über die Malzer Schleuse in die Oranienburger Havel zu kommen, nicht funktionieren wird, habe ich leider auch schon bemerkt. Die Schleuse ist schon lange nicht mehr in Betrieb und durch ein Wehr ersetzt. Einige Werftbetriebe haben sich hier angesiedelt.

Ehemalige Malzer Schleuse bei Oranienburg
Ehemalige Malzer Schleuse bei Oranienburg

Ich schaue mich nur kurz um, dann paddle ich auch Richtung Lehnitzschleuse.

Die Sportboot-Wartestelle vor der gewaltigen Schleuse liegt etwa 300 Meter linksseitig vor den Schleusentoren, vermutlich, damit die grossen Schutenverbände hier ungestört durchkommen. Selbstbedienung ist hier nicht und die Berufsschifffahrt hat Vorfahrt. Ich dümpele eine Weile allein an den Wartedalben herum und rufe den Schleusenwärter an, als endlich eine grosse Schute herausfährt. Ups, er hätte mich in meinem kleinen Kajak gar nicht gesehen. Ja, ich könne jetzt gerne einfahren. Ich bin nur mit einem Motorboot in der Schleuse. Auf Wikipedia ist zu lesen, dass man eigentlich nur zusammen mit der Berufsschifffahrt geschleust werden kann – das scheint so nicht zu stimmen. Es ist wohl auch eine Kajakschleppe vorhanden, auf die ich aber nicht geachtet habe.

Lehnitzschleuse bei Oranienburg
Vor der Lehnitzschleuse bei Oranienburg

Die jetzige Lehnitzschleuse, die 1940 auch mit Hilfe von KZ-Häftlingen aus Sachsenhausen, fertiggestellt wurde, sollte den Schifffahrtsweg zur Reichshauptstadt Germania angemessen pompös ebnen und mit 125 Metern Länge und über 5,5 Meter Fallhöhe ist sie schon ziemlich gewaltig. In der Ausfahrt gibt es hier keine Schleusentore, sondern das Tor wird schafottartig angehoben.

Lehnitzschleuse
Schafottartiges Schleusentor der Lehnitzschleuse

Während man dieses Fallbeil unterquert, tropft unablässig ein Regenschauer aus Kanalwasser herab.

Bis hierhin sind es etwa 16 km Strecke gewesen. Es schliesst sich der 2,4 Kilometer nach Südwesten gelegene Lehnitzsee an. Was sich wie das bekannte Bild der malerische Seen durchfliessenden Havel ausnimmt, ist hier auch nur ein inzwischen naturalisierter Fake, denn der See war bis 1914 nur über ein kleines entwässerndes Fließ mit der Havel verbunden.

Auf dem Lehnitzsee
Auf dem Lehnitzsee

Am rechten Seeufer lege ich eine kurze Picknick- und Umkleidepause ein. Trocken paddelt es sich doch besser. Ein paar hundert Meter hinter dem südwestlichen Seeausgang zweigt nun die Oranienburger Havel rechts ab und ich bin von meinem Tagesziel nur noch 2,4km entfernt. Ich hatte eine städtische Kulisse mit Bebauung rechts und links erwartet, aber das Gewässer zeigt sich idyllisch und naturnah. Keine Häuser, sondern wucherndes Frühlingsgrün flankiert die Ufer.

Einfahrt in die Oranienburger Stadthavel
Einfahrt in die Oranienburger Stadthavel

 

Oranienburger Stadthavel
Oranienburger Stadthavel

Nach einer Weile kommt das Oranienburger Schloß in Sicht. Die Spundwand der Kaianlage ist mit Abstand der hässlichste Teil der Oranienburger Havel.

Kaianlage Schloss Oranienburg
Schloss Oranienburg mit Kaianlage

Gleich danach geht es nun rechts in den Schlosshafen. Aussteigen muss man an einer Sliprampe.

Sliprampe Schlosshafen Oranienburg
Sliprampe am Schlosshafen Oranienburg

Tatsächlich sind hier neben einigen Gastliegerbooten weit und breit nur Wohnmobile zu sehen. Ich bin gespannt wie ein Flitzebogen, ob ich hier überhaupt zelten darf. Seitlich am Hafengebäude steht groß die Aufschrift „Hafenmeister“, aber das ist nur die euphemistische Umschreibung für einen Ticketautomaten, mit dem man eine Servicekarte für’s Wohnmobil ziehen kann. Ich gehe um das Gebäude herum und frage schließlich einen Mann, der aus dem Sanitärtrakt kommt. Und tatsächlich, es ist der Hafenmeister selbst, ein freundlicher Russe oder zumindest deutlicher Osteuropäer vom herzerwärmend hemdsärmligen Typ „Kein Problem“. Ich könne mein Zelt einfach auf einer kleinen Wiese zur Havel hin aufbauen, das Sanitärgebäude sei offen, alles kein Problem. Ich bin baff und froh von soviel Unkompliziertheit und baue flugs alles auf. Ein etwas betäubender Fliedergeruch hängt in der Luft, aber das scheint einfach der Geruch von Brandenburg im Frühling zu sein.

Biwak am Schlosshafen Oranienburg
Biwak am Schlosshafen Oranienburg

Tag 3: Oranienburg bis Henningsdorf (15 km)

Am Morgen nach dem Packen unternehme ich noch einen kleinen Spaziergang zum Schlosspark. Über eine Fußgängerbrücke kann man linkerhand den größeren Teil des Schlosshafens erreichen. Entlang des eingezäunten, weitläufigen, aber nur kostenpflichtig betretbaren Schlossparks gelangt man bis zu den eigentlichen Schlossgebäuden, deren kastenartige Architektur mein historisches Interesse nicht wirklich entflammt.

Der Tag ist sonnig, die Oranienburger Havel präsentiert sich auch auf dem Rückweg zum Oder-Havel-Kanal als idyllisches Naturjuwel.

Oranienburger Havel - Blaues Wunder
Oranienburger Havel – Blaues Wunder voraus

Mit der zunehmenden Sonnenwärme merke ich leider, dass auch von innen ein unangenehm hitziges Gefühl aufkommt. Ich scheine mir einen leichten fiebrigen Infekt eingefangen zu haben – vielleicht sind die Nächte doch noch etwas kalt gewesen und die nasse Hose vom Vortag hat vielleicht auch am Immunsystem gezerrt. Auch der Wind meint es nicht mehr so gut wie in den Vortagen – er fällt jetzt des öfteren vorlich ein. Dafür sind es aber auch nur 15 Kilometer.

Der Schiffsverkehr ist mäßig. Der Oder-Havel-Kanal (oder ist es jetzt wieder die wahre Havel?) ist auch aufgrund des sonnigen Wetters und des noch frischen Grüns der Ufervegetation angenehm zu paddeln. Einmal kommt mir ein komfortables Flusskreuzfahrtschiff entgegen und weckt eine Art Binnenfernweh.

Havel zwischen Oranienburg und Henningsdorf
Havel zwischen Oranienburg und Henningsdorf
Flusskreuzfahrtdampfer auf der Havel
Flusskreuzfahrtdampfer auf der Havel
Havelboje
Havelboje

Erst vor Berlin sehe ich auf der ganzen Strecke zum ersten Mal andere Paddler und auch Ruderer.

Havelpaddler
Havelpadddler

Als schon die Elektrostahlwerke Henningsdorf in Sicht kommen, beschließe ich, auf einer Wiese direkt vor der Abzweigung zum Veltener Stichkanal noch mal kurze Pause zu machen. Leider ein Fehler, wie sich zeigt. Zwar ist das Wasser direkt am Ufer flach genug zum Aussteigen, aber die allgegenwärtigen Uferbefestigungssteine sind rutschig und kippeln. Mit der Wiedererlangung des Gleichgewichts beschäftigt, treibt das Kajak hinter mir etwas ab, aber noch schlimmer: das als Paddelbrücke ausgelegte Paddel rutscht nach hinten ins Wasser und treibt ebenfalls langsam davon. Beherzt rangiere ich das Kajak aus dem Weg, mache einen weiten und nassen Schritt ins tiefere Wasser und greife das Paddel. Endlich an Land bemerke ich grade noch rechtzeitig, dass an diesem strategischen Platz wohl eine ganze Schwanenkolonie ihre Häufchen dicht an dicht hinterlassen hat. Es wird daher ein kurzer Aufenthalt, bei dem ich nur schnell die halbtrockene Hose vom Vortag anziehe, um nicht mit plitschnassen Hosen am Ziel anzukommen. Elektrostahlwerke HenningsdorfElektrostahlwerke Henningsdorf

Die Stahlwerke Henningsdorf scheinen Zielhafen und magnetischer Anziehungspunkt der ganzen polnischen Schrottschuten zu sein, die den OHK hoch und runter fahren. An diesem Sonntag ruht der Betrieb, nur mächtige Kräne lugen übers rechte Ufer und lungern nach frischem Altmetall, das hier in großen Halden liegt.

Der Stadthafen Henningsdorf kommt nach weiteren 3 Kilometern hinter einer Brücke in Sicht und dort findet sich auch gleich rechts hinter dem Gelände des Ruderclubs die kleine Sliprampe, die ich schon kenne.

Hafen Berlin-Henningsdorf - Sliprampe
Hafen Berlin-Henningsdorf – Sliprampe

Ich lasse das Kajak auf einer kleinen Wiese und hole den Wagen aus Zehdenick. Mit dem stündlich verkehrenden Bus 824 geht es von der S-Bahn Henningsdorf über die Dörfer nach Oranienburg und dann mit dem Regionalzug RB 12 nach Zehdenick. Da der Bahnhof hier ziemlich außerhalb liegt, schliesst sich noch ein fast 3 km langer Fussmarsch bis zum Parkplatz bei der Festwiese an.

Die lange Fahrt mit den Öffentlichen, der Fußmarsch und die anschließende ewige Gondelei zurück über Landstraße und Autobahn nach Henningsdorf, vermitteln auf jeden Fall das Gefühl, dass ich in den vergangenen 3 Tagen eine ganz ordentliche Stecke zurückgelegt habe – und dass der langsame Weg übers Wasser der Havel und ihrer Kanalsurrogate der deutlich angenehmere ist.

Kartenansicht der Tour