Elbetour – von Schmilka bis Wittenberg
27.06 - 02.07.2023 - 6-tägige Kajaktour auf Ober- und Mittelelbe von der Ortschaft Schmilka nahe der tschechischen Grenze bis zur Lutherstadt Wittenberg.Länge: ca. 210 km
27.06.23
Schmilka – Dresden (Pillnitz) – 37,6 km
Ich starte nach Anfahrt aus Berlin gegen 12:30 Uhr im grenznahen Örtchen Schmilka, wo es einen bezahlpflichtigen Parkplatz und eine gute Einstiegsstelle rechts vom Fähranleger gibt. Praktischerweise befindet sich am anderen Ufer bei Schmilka-Hirschmühle eine Bahnhaltestelle, so dass die Transportlogistik schon mal abgesichert ist
Das Wetter ist zunächst heiter, aber mit böigem Wind 4 BFT aus West / Nordwest, also genau gegenan. Meine Hoffnung, die schöne Panoramalandschaft des Elbsandsteingebirges mühelos auf dem Elbstrom dahingleitend geniessen zu können, kann ich daher gleich getrost in den Gegenwind schreiben. Die steilen Hänge des Elbsandsteingebirges wirken wie ein Windkanal oder eine „Düse“, wie die Windsurfer sagen. Alle westlichen Windrichtungen werden hier wahrscheinlich eingefangen, beschleunigt und dem armen Wasserwanderer ins Gesicht geblasen. Wind gegen Strömung macht das Ganze dann nochmal richtig biestig und erzeugt einen ordentlichen Chop.
Die gut 37 Kilometer, die ich mir bis vor Dresden-Pillnitz vorgenommen habe, versprechen also richtig anstrengend zu werden. Dennoch ist die Strömung noch spürbar und gleich zu Beginn kollidiere ich, als auch noch mein Telefon klingelt, beinahe mit einer Fahrwassertonne, die mich magisch anzieht. Ich merke: die Elbe ist kein Flüsschen, sondern ein Strom, und sie braucht Respekt und Konzentration.
Das Vorankommen auf den ersten 20 km ist also mühsam – aber natürlich wird die Fahrt trotzdem mit den schönsten Bilderbuch-Aussichten auf Elbsandsteingebirge und die kleineren idyllischen Ortschaften am Ufer belohnt.
Fährverkehr und Raddampfer sind unterwegs. Ein paar Rafting-Schlauchboote mühen sich ebenfalls ab. Später vor Pirna gesellen sich auch Ruderverbände hinzu. Zuletzt vor Pillnitz überhole ich sogar 2 Supper.
Ich passiere Bad Schandau und dann auch schon Königstein mit der berühmten Festung links am Berg.
Bei Rathen ist auf eine Gierfähre aufzupassen. Da ich bisher nur Seilfähren kannte, an denen die Fähre von Ufer zu Ufer gezogen wird, war mir das Funktionsprinzip zunächst gar nicht klar. Die Gierfähre pendelt nämlich an einem durch gelbe Tonnen markierten Seil im Strom hin und her. Die Beschilderung gibt wenig Anhaltspunkte für das richtige Vorbeifahren. Ich zitiere daher mal aus einem DKV-Dokument:
„Eine Besonderheit der Elbe sind die Gierfähren. Sie werden durch die Strömung angetrieben.
Von der Verankerung, entweder am Ufer oder im Strom-Drittel führt ein langes, durch gelbe
Tonnen gekennzeichnetes Seil zur Fähre; es darf auf keinen Fall überfahren werden! Die
Vorbeifahrt an einer Gierfähre darf nur erfolgen, wenn sie an ihrem ständigen Liegeplatz stilliegt.
Notfalls im Kehrwasser zwischen den Buhnen anhalten und die Situation beobachten. Das
Hinweiszeichen „Nicht frei fahrende Fähre“ befindet sich an dem Ufer, wo die Fähre ihren
„Heimathafen“ hat“ .
Siehe auch eine ausführlichere Erklärung hier.
Kurz hinter Rathen und noch vor Wehlen befindet sich am rechten Ufer die berühmte Basteibrücke, die ich aber ehrlich gesagt, vom Wasser gar nicht gesehen habe. Vom Gegenwind erhole ich mich kurz bei Wehlen an einem Kiesstrand.
Die erhabene Fotokulisse des Elbsandsteingebirges erhält allerdings schon bald eine bedrohliche Färbung, als sich eine aus Westen herannahende Wetterfront am Horizont immer deutlicher aufbaut.
Einmal winkt dann noch kurz die Sonne hervor. Der Ruderclub Pirna ist auch elbaufwärts unterwegs, so dass es mitunter angenehm belebt ist. Die omnipräsenten Schaufelraddampfer sind nach den Elborten benannt, von denen sie aufbrechen.
Der Himmel zieht sich aber leider Zug um Zug weiter zu, bis es vor Pirna dann auch zu regnen anfängt.
Der Schauer bleibt zum Glück harmlos, sozusagen nur Theaterdonner.
Immerhin nimmt nach dem Durchzug der Front der Gegenwind ab. Ohne Wind ist es jetzt auf den letzten Kilometern von Pirna bis kurz vor Dresden ein angenehmes Paddeln.
Insgesamt geht das Vorankommen auf der Elbe aber weniger schnell als gedacht. Die Strömung macht hier vielleicht 2-3 km/h aus. Aufgrund des Gegenwindes erreiche ich am Schluß grade mal einen Schnitt von 6,7 km/h, dabei hatte ich schon fantasiert, wie ich mit > 10km/h als eine Art E-Kajaker mit 7-Meilen-Schlägen dahinschnelle.
Mein Tagesziel ist der Campingplatz Wostra bei Heidenau vor Dresden. Die Ausstiegsstelle liegt direkt vor der Insel Pillnitz am linken Ufer auf einer Sandbank (je nach Wasserstand) und ist nur per GPS / Googlemaps zu finden, da es keine Markierungen / Beschilderung gibt.
Grober Kies und starke Neigung am Deich erschweren das Anlanden und machen den Weg zum 250 Meter entfernten Campingplatz etwas mühselig. Nach dem Abendbrot gibt es noch ein halbstündiges starkes Gewitter, von dem ich auf dem Wasser glücklicherweise verschont wurde.
28.06.
Dresden – Meissen (36,7 km)
Am nächsten Morgen ist zunächst noch eine Logistik-Aktion zu vollbringen: Der Parkplatz in Schmilka muss stundenweise bezahlt werden. Da ich noch gar nicht absehen kann, wie lange die Tour dauern wird, ist das natürlich ungünstig. Mit dem Regionalzug fahre ich daher von Heidenau bis Schmilka-Hirschmühle, setze mit der Fähre über und fahre mit dem Wagen wieder zurück bis zum kostenlosen Park-and-Ride Parkplatz am Bahnhof Heidenau. So besteht auch eine gute Verkehranbindung für die abschließende Rückholaktion am Ende der Tour. Bis ich die 2,5 Kilometer zum Campingplatz Wustra zurückgelaufen und endlich im Wasser bin, ist es fast Mittag.
Leider ist auch der biestige Nordwestwind von gestern wieder frisch am Start. Statt von der Strömung sanft getragen vor die Tore Dresdens zu trudeln und die kulturellen Highlights zu bestaunen, kämpfe ich wie am Vortag gegen einen böigen Wind, der den Fluß aufwühlt. Die geplanten knapp 37 Kilometer bis zum nächsten Campingplatz vor Meißen sind wieder kein Katzensprung, sondern eine ausgemachte Ochsentour, auch wenn der Wind am späteren Nachmittag endlich nachlässt.
Nacheinander kommen nun die architektonischen Schaustücke Dresdens ins Bild. Am rechten Ufer taucht als Erstes das Schloß Pillnitz auf, wird aber leider von einem Baugerüst um seine ästhetische Wirkung gebracht.
Ich kämpfe heute nicht ganz allein gegen den Wind. Einige mit Schülern bepackte Rafting-Boote sind ebenfalls unterwegs nach Dresden und haben wegen der Windangriffsfläche erheblich mehr zu kämpfen als ich. Sie bieten mir feixend an, mit Ihnen zu tauschen, was ich dankend ablehne.
Die Loschwitzer Brücke aka „Blaues Wunder“ kommt auf. Reger Dampferverkehr ist unterwegs, aber nicht weiter störend, wenn man etwas Abstand hält. Diese Schaufelraddampfer machen kaum Welle.
Rechts erscheint Schloss Albrechtsberg, ein vom Schinkel-Schüler Adolf Lohse Mitte des 19. Jhdts für den aufgrund seiner nicht standesgemäßen Heirat mit der Hofdame seiner Ex am Hof verfemten Prinz Albrecht von Preußen erbauter spätklassizistischer Prunk-Klotz.
Und schon führt die Fahrt unter der Albertbrücke hinein ins Zentrum von Dresden.
Etwas Abstand in der Perspektive lässt das Stadtbild aus Elbsicht luftiger und schöner erscheinen als das gedrängte Ensemble von Brühlschen Terrassen, Frauenkirche, Semperoper, Zwinger, etc. in ihrem teils rußigen Steingewand, wenn man wasserseitig nah dran vorbeifährt.
So intensiv der gebündelte Impact dieser Dresdener Impressionen ist, so schnell ist das Ganze auch schon vorbei und kleine und ruhigere Vororte bestimmen nun das Bild. Bei Pieschen macht die Elbe einen Knick nach Westen und ich mache erst einmal eine Pause am kiesigen Elbstrand. Immerhin nimmt der Wind jetzt etwas ab.
Es sind jetzt noch etwa 20 Kilometer bis zum Tagesziel, dem Campingplatz Rehbocktal vor Meißen. Hier sind einige Impressionen dieses Tourenabschnittes:
Wie schon der Campingplatz Wustra ist auch der Campingplatz Rehbocktal am linken Elbufer etwa 3 km vor Meißen nur per GPS / GoogleMaps zu finden. Kein Schild, kein Steg weist darauf hin. Warum? Der Naturschutz verbietet das, erklärt mir der sehr nette Campingplatzbesitzer, den ich vorher anrufe. Das Anlanden ist schwierig, da es eine hohe steile Böschung im steinigen Bett eines kleinen Baches hochgeht, über die ich das vorher entladene Seayak ziehe, das sich nun zahlreicher Narben am Rumpf rühmen darf. Diese hohen Böschungen sind aber notwendig – auch der wirklich hochgelegene Campingplatz war bei den Hochwassern 2002 und 2013 schon überschwemmt. Aktuell ist eher Niedrigwasser – wenn die Strömung nicht wäre, könnte man sogar durchwaten.
29.06
Meißen – Mühlberg (50 km)
Wind und Wetter haben sich endlich beruhigt. Es ist ohne Wind nun schon fast zu heiß, als ich starte. Der Einstieg bergab die Böschung runter gestaltet sich zum Glück einfacher als der Transport über den steilen Abhang am Vorabend. Nach wenigen Kilometern lege ich eine kurze Einkaufspause im Zentrum von Meißen im Kiesbett der Triebisch ein, die hier vor der Altstadtbrücke in die Elbe mündet.
Hinter Meißen wird die Landschaft nun zunehmend flacher und weniger spektakulär. Das Elbsandsteingebirge verabschiedet sich in der Ebene.
Das die Elbe nicht nur aus Kultur und Natur besteht, ist natürlich auch klar. Etwa 17 Kilometer hinter Meißen taucht bei Nünchritz am rechten Ufer der große Industriekomplex von Wacker-Chemie auf.
Auch die Stadt Riesa etwa 25 km nördlich von Meißen ist vom Fluß aus betrachtet keine Schönheit. Sie zeigt der Elbe ihren Popo in Form der häßlichen Ruine eines Tiernahrungsspeichers mit rostigen Verladeeinrichtungen. Auch ein paar proper restaurierte Bürgerhäuser können den desolaten Eindruck der Hafenanlagen nicht wettmachen. Am Ortsanfang links aber gibt es einen Kanuverein mit Rast- und Zeltmöglichkeit. Es rattert, kracht und lärmt in Riesa von allen möglichen Gewerken her.
Ganz im Gegensatz dazu liegt der Ort Glogisch einige Kilometer hinter Riesa am rechten Elbeufer in einem gespenstischen Dornröschenschlaf: kein Laut und kein Mensch am frühen Nachmittag eines Werktages. Vielleicht sind die Bewohner von Glogisch grade am Krachmachen in Riesa.
Weniger spektakuläre Sehenswürdigkeiten am Ufer geben immerhin Gelegenheit, sich aufs Paddeln zu konzentrieren. Und darum geht es mir schließlich. Mit der Strömung komme ich auf einen ordentlichen Schnitt von ca. 9 km/h, das fühlt sich sehr angenehm an. Die Uferkilometrierung macht das Vorankommen sehr deutlich. Neben den „großen“ Kilometerschildern gibt es alle 200 Meter eine zusätzliche Ziffern-Markierung (2-4-6-8).
Bei Kilometer 121 ist ein kurioser Extra-Kilometer einzulegen. Die Königreiche Sachsen und Preußen konnten sich damals bei der Vermessung nicht einigen – die Messungen wichen um 1.040 Meter ab. Herausgekommen ist der Kilometer 121A bei Kreinitzsch (siehe: https://www.saechsische.de/plus/der-doppelte-elb-kilometer-3022311.html)
Vor Mühlberg wird es ruhig und beschaulich, auch wenn die Arme lang werden.
Nach knapp 50 Kilometern geht es rechts hinein in einen alten Elbarm bis zum Hafen Mühlberg.
Vom dortigen Wasserwanderrastplatz, den ich bei Google-Maps identiziert habe, ist weit und breit nichts zu sehen und auch kein Infoschild aufgestellt. Dafür trainiert grade der Ruderverein den jugendlichen Nachwuchs. Auf Nachfrage erfahre ich, dass der gesuchte Wasserwanderrastplatz gar nicht an der Elbe, sondern an einem kleinen See dahinter liegt, der vom Wasser aus gar nicht erreichbar ist – Strange world. Aber ich könne für 10 € gern auch im Ruderverein übernachten. Ein Angebot, dass ich nicht ausschlage. Der Trainer berichtet, dass es nicht einfach ist, die Jugendlichen sportlich bei der Stange zu halten. Meistens sei das Rudern nur ein kurzes Intermezzo, bis die Pubertät ihren Tribut fordert. Das kann ich mit Blick auf meine Kajak-Jugend bedauernd bestätigen. Ich baue mein Zelt auf einer erhöht liegenden Wiese am Wasser auf und durchwandere Mühlberg auf dem Weg zum am Ortsrand gelegenen Netto-Supermarkt. Mit ihren alten Häusern und der Klosteranlage ist die Stadt eigentlich ganz nett anzusehen, aber auch hier ist am frühen Abend seltsamerweise kaum ein Mensch auf der Strasse.
30.06.
Mühlberg – Torgau (28,2 km)
Ich starte um 09:15 Uhr. Das Wetter ist zunächst bewölkt und windstill, drückend schwül. Ich spute mich, das Zelt noch trocken einzupacken, aber der angesagte Regen bleibt zum Glück aus.
Die Elbe wirkt zunächst wieder gleichförmig mit den kleinen Sandbuchten und Steinbuhnen. Streckenweise gibt es nun aber auch ganz öde Abschnitte nur mit Deichen und Steinpackungen auf beiden Seiten. Ereignislos, aber eigentlich entspannend, wenn da nicht das Wetterdamoklesschwert wäre. Hier und da sitzen ein paar Angler oder Spaziergänger mit Hunden laufen am Ufer. Wenn man sich einfach nur treiben lässt, hat man nach 15 min auch einen Kilometer geschafft. Vor einem einsamen Haus ist ein riesiger Steinhaufen zur Abschottung vor der Flutgefahr angelegt – es wirkt etwas apokalyptisch.
Später gibt es wieder mehr Sandbuchten.
Bei Ankunft in Torgau zieht sich die Wolkendecke zu. Schloß Hartenfels imponiert am linken Elbufer.
Ich lande noch im Trockenen beim Ruderclub Torgau an, der einen modernen Anlegesteg mit einer allerdings sehr steilen Rampe hat.
Auch hier ist das mögliche Hochwasser immer mit einkalkuliert. Einige Meter rechts am Ufer entlang befindet sich der Kanuclub Torgau mit einer kleinen Zeltwiese.
Ein Radwanderer, der den Elberadweg befährt, ist schon da und 2 Kanuten mit ihren Faltbooten auf dem Weg nach Geesthacht kommen später dazu. Angenehm, dass es hier nicht ganz so einsam ist. Ich mache einen Stadtspaziergang im Regen. Ein Denkmal am Elbufer weist auf das entscheidende Zusammentreffen der sowjetischen und amerikanischen Truppen am 25.04.1945 hin, mit dem das Ende von Nazideutschland so gut wie besiegelt war. Das Renaissance-Schloß Hartenfels, den Torgauer Marktplatz und die Altstadt schaue ich mir genauer an. Abends esse ich im Restaurant „Altes Bootshaus“ griechisch direkt am Elbufer beim Ruderverein – bezahlbar, aber nicht besonders lecker. Immerhin eine Abwechslung von der mitgebrachten Fertigkost, bei der ich meist nur die Kalorien zähle.
01.07.23
Torgau bis Elster (45,4 km)
Ich starte um 09:45 Uhr bei heiterem Wetter. Der Wind ist frisch, Südwest Stärke 4. Da der Kurs aber weitgehend nach Norden weist, verläuft die Tour angenehm zügig mit meist seitlichem Rückenwind. 9-10 km/h Schnitt sind drin.
Bei Preetzsch gerate ich versehentlich in den Gefahrenbereich der Gierfähre. Die Fähre liegt am rechten Ufer, so dass ich denke, ich müsste links passieren – soweit auch korrekt.
Allerdings setzt sie sich jetzt in Bewegung und ich gerate ins Schlingern mit meiner Entscheidung. Langsam wandert die gelbe Bojenkette, unter der das Seil verläuft, ebenfalls nach links und es wird immer enger. In beginnender Panik fahre ich schwuppsdiwupps über das Seil wieder nach rechts, was man niemals, niemals machen sollte. Zum Glück ist das Seil in der Entfernung wohl doch tiefer gespannt, so dass das Drüberfahren für das Kajak keine Probleme macht. Aber es ist peinlich und gefährlich: Ich hatte zu dem Zeitpunkt weder das Prinzip der Gierfähre physikalisch richtig verstanden, noch wusste ich, an welcher Seite sie zu passieren ist. Der Fährmann weist mich zu Recht lautstark zurecht. Merke: wenn die Fähre fährt, resp. „giert“, dann solange vor der Bojenkette warten, bis sie wieder am „Heimathafen“ (der Seite, wo sich das Fährschild „nicht freifahrende Fähre“ befindet) angelegt hat.
Die Elbufer sind hier weiterhin eher eintönig mit manchmal schönen Sandbuchten aber auch blickdichten graden Deichen mit öden Steinpackungen an der Strömungsseite. Wohnmobile, Angler und Familien treiben sich hier und da an den Ufern herum. Einige Mövenschwärme sorgen für maritimes Flair. Raubvögel kreisen, Schafe blöken, Kühe grasen.
Ich mache nur 2 kurze Pinkelpausen, für die längere Lunchpause lasse ich mich einfach in der Strömung treiben, um noch ein paar anstrengungslose Freikilometer mitzunehmen.
Kurz vor Elbe-Elster mündet rechts die schwarze Elster, ein immerhin 179 Kilometer langer Nebenfluß, in die Elbe, der auch bepaddelt werden kann.
Die gut 45 Tourkilometer sind schnell vorbei. An der schönen Wiese des Kanuvereins „Harmonie“ in Elster angekommen, treffe ich den Radfahrer aus Torgau wieder. Auch die beiden Faltboot-Kanuten aus Torgau kommen für eine Pause vorbei – sie wollen aber weiter Richtung Coswig und unterwegs wild zelten. Mit dem Radler gehe ich abends gemeinsam einkaufen und wir improvisieren auf unseren Gaskochern Steaks mit Asiagemüse bei stürmischem und dann auch regnerischem Wetter.
So., 02.07.
Elster – Wittenberg (12,3 km)
Die Abschlusstour nach Wittenberg ist kurz – nur gut 12 km. So bleibt genug Zeit, um noch das Auto aus Dresden zu holen.
Morgens mache ich noch einen kleinen Stadtrundgang durch den kleinen Ort Elster. Auch hier fallen die Vorsichts-Maßnahmen gegen drohende Elbhochwasser auf. Der Blick auf die Elbe wird teilweise durch Betonverschanzungen blockiert.
Ich starte um 09:30 Uhr und bekomme gleich ordentlich Westwind von vorne, 4-6 Bft. Strömung gegen Wind erzeugt eine unangenehme Kabbelwelle.
Die Elbe macht bei Elster einen scharfen Knick nach Westen. Aber auch hier gibt es ein paar Mäander im Fluss, wo es etwas einfacher wird. Einmal gibt es sogar Rückenwind.
4 km vor Wittenberg ergiesst sich dann für 15 min noch ein wahrer Sturzregen, der sich durch eine unscheinbare, aber dann rasend schnell näherkkommende Nebelwand am Horizont ankündigt. Ich habe zum Glück die Spritzdecke aufgezogen und eine Regenjacke an.
Bei Ankunft im Kanuclub Wittenberg hat sich das Wetter wieder beruhigt und wird sonnig und freundlich. Es ist zwar niemand da, aber im Kanuclub gibt es einen Schlüsselsafe, dessen Code ich telefonisch erhalte.
Ich muss an dieser Stelle noch einmal ein ausdrückliches Lob und tiefen Respekt vor der Arbeit ausdrücken, die die Kajakvereine und Ruderclubs an der Elbe mit ihren schönen Plätzen hier für die Wasserwanderer leisten – und das für einen Mini-Obulus. Das ist ganz großartig, danke!
Die 2 Faltbootpaddler aus Torgau, die nach Geesthacht wollen, und vermutlich aufgrund des Sturms gestern wohl schon gleich hinter Elster wild übernachtet haben, kommen auch noch einmal vorbeigepaddelt und winken.
In ihren etwas retro anmutenden Booten (Sitzluke sehr weit hinten) und in ihrem Individualismus erinnern sie mich irgendwie an den Schriftsteller R.L.Stevenson und seinen Freund Walter Grindlay Simpson, die Ende des 19. Jhdts. in ihren Faltbooten „Arethusa“ und „Cigarette“ in Belgien und Frankreich unterwegs waren (An Inland Voyage (1878), dt.: Das Licht der Flüsse, Aufbau Verlag 2011).
Hier eine schöne Passage aus dieser Erzählung über den träumerischen, subjektlosen Geisteszustand, der sich beim Paddeln einstellen kann:
„Da gab es ein seltsames Stück angewandter Metaphysik, die das, was ich die Tiefe, wenn nicht sogar die Intensität meiner Geistesabwesenheit nennen möchte, begleitete. Das, was Philosophen als Ich und Nicht-Ich, ego und non ego, bezeichnen, beschäftigte mich, ob ich wollte oder nicht. Es gab weniger Ich und mehr Nicht-Ich, als ich für gewöhnlich erwarten würde. Ich beobachtete jemand anderen, der das Paddeln übernahm; ich spürte die Füße eines anderen gegen die Fußleiste drücken; mein eigener Körper schien nicht mehr zu mir zu gehören als das Kanu oder der Fluss oder die Flussufer…. Kurzum, ich vermute, dass ich dem Nirwana so nahe gekommen bin, wie es im wirklichen Leben nur möglich ist, und wenn das der Fall war, dann möchte ich den Buddhisten aufrichtig gratulieren; es ist ein angenehmer Zustand, nicht ganz mit geistiger Genialität vereinbar, nicht wirklich rentabel aus ökonomischer Perspektive, aber sehr friedvoll, golden und gelassen, und er stellt einen Menschen über seine Ängste.“ (S. 121)
Ich muss zugeben, dass ich auf meiner Elbe-Tour nicht ganz so meditativ versunken war wie Stevenson; aber er beschreibt doch das meditative Erlebnis des „Flows“, das durch den Fluß selbst ausgelöst werden kann.
Die Logistik für das Holen des Wagens aus Dresden/Heidenau ist langwierig. Der Regionalzug ist rappelvoll mit Jugendlichen, da ein Festival in Wittenberg zu Ende gegangen ist. 5 Stunden dauert die ganze Aktion, bis ich abends wieder allein auf der schönen Zeltwiese sitzen kann und der Elbe noch lange beim Strömen zuschaue.