Altenhof – Marienwerder: Werbellinsee, Werbellinkanal, Finowkanal
27.05.2018 - Kajak Tagestour auf dem Werbellinkanal im nördlichen Brandenburg über den Werbellinsee, Werbellinkanal und FinowkanalLänge: 18 km
Heute habe ich eine Strecke wiederholt, die ich vor einigen Jahren schon einmal gepaddelt bin.
Die Tour startet in Altenhof und führt über den Werbellinsee nach Süden, durch den Werbellinkanal mit den zwei Schleusen Eichhorst und Rosenbeck bis zum Finowkanal und dort weiter über die Ruhlsdorfer und Leesenbrücker Schleuse nach Marienwerder.
Der Ort Altenhof liegt am Ostufer etwa in der Mitte des Werbellinsees, der sich als bis 55 Meter tiefer Endmoränen-Rinnensee über 9,5 Kilometer Länge von Südwesten nach Nordosten erstreckt. Mit den umliegenden Buchenwäldern und teilweise steilen Hängen im Osten, den weiten Kieferwäldern der Schorfheide im Westen, dem klaren kühlen Wasser, den Seglern und sonstigem Betrieb ist er mein Lieblingssee in dieser Gegend und in einem kleinen Segelverein, dem SWV Werbellinsee, liegt auch meine Piratenjolle. Aber heute ist kaum Wind und ich habe auch eher Lust, mich etwas zu verausgaben, als mit der Jolle bei Flaute im See zu dümpeln.
Der Ort Altenhof ist über die Autobahn von Berlin in einer knappen Stunde zu erreichen. An der Marina Altenhof verbringe ich das Seayak auf eine kleine Wiese, um dort in flachem Wasser einzusteigen. Wer am Werbellinsee ins Wasser geht, sollte aufpassen, denn in den letzten Jahren wachsen hier sehr viele rasiermesserscharfe Muscheln im Flachwasser und ich habe leider schon einige Blutbäder mit fiesen Schnitten an meinen Füssen veranstaltet. Neoprenschuhe oder ähnliches sind hier angesagt, in diesem Fall leisten meine 10 Jahre alten Paddelcrocs gute Dienste.
Der See liegt in einem schwülen Glast in der Mittagssonne, über 30 Grad sind angesagt, ein Grund mehr, auf dem Wasser zu sein. Am Horizont zeigen sich leider auch schon Wolkengebirge, die auf Gewitter deuten. Familien fahren in Tretbooten oder kleinen Ost-Motorbooten umher. Ich paddele in einiger Entfernung an meinen Segelvereinskameraden und ihrem Treiben auf der Steganlage vorbei, entlang der Uferpromenade und dem schon zu Ostzeiten bekannten Fischrestaurant „Alte Fischerei“. Altenhof hat sich deutlich verändert, ob nun zum Besseren oder Schlechteren, das sei dahingestellt. Ein etwas protziger Komplex aus Eigentumswohnungen und Villen, die monoton und viel zu eng aneinandergereiht sind, haben das Ortsbild ebenso verändert wie ein Hotelneubau an der Promenade. Offenbar versuchen Investoren, hier betuchte Klientel der Erbengeneration aus dem Berliner Raum anzusiedeln. Die Fahrt geht weiter entlang des Ostufers, vorwiegend Motorboote ankern hier im Uferbereich.
Hinter einem Schilfgürtel liegt links der Dauer-Camperplatz „Süsser Winkel“ und am gegenüberliegenden Ufer das Pendant, der Campingplatz „Am Spring“, an dessen südlichem Rand auch eine schöne Badestelle an einer Hangwiese liegt. Zwischen beiden Ufern befindet sich eine seichte Stelle im See, der Barschberg, gekennzeichnet mit gelben Bojen – für Paddler natürlich keine Gefahr, für Segler eine bekannte Wendemarke. Natürlich kommt auch der alte Passagierdampfer „Altwarp“ der Reederei Wiedehöft vorbeigefahren.
Dahinter öffnet der Werbellinsee sich noch einmal zu einer kleinen Ausbuchtung nach Westen, an deren Rand sich ein Café-Restaurant und der recht aktive Segelverein Stahl-Finow befinden. Links von dessen Marina direkt am Ostufer beginnt / oder endet der Werbellinkanal, ca. 10 Meter breit und hüllt mich sofort in den angenehmen Schatten des rechts und links wachsenden Buchenbestandes.
Nur einige Meter weiter liegt rechts auf einem Hügel hinter den Bäumen durchlugend der 12 Meter hohe Askanierturm ein Backsteinrundbau, der Ende des 19. Jhdts. zur Erinnerung an das deutsche Uradelsgeschlecht der Askanier erbaut wurde. Die Askanier hatten im 13. Jhdt. in dieser Gegend die Burganlage Werbellin errichtet, die allerdings schon im 14. Jhdt. vermutlich einer Feuersbrunst zum Opfer fiel. Reste dieser Anlage wurden beim Bau des Werbellinkanals entdeckt. Gleich hinter dem Turm, den man besteigen kann, führt eine Holzbrücke über den Kanal.
Ich paddle also in einem mächtig geschichtsträchtigen Teil Brandenburgs herum, interessiere mich aber grade mehr für die immer noch in voller Maienpracht stehende Natur, die vielen Grünschattierungen und das hindurchfingernde und vom Wasser reflektierte Sonnenlicht. Das Wasser des Werbellinkanals ist klar, aber etwas leblos, man kann ca. 1.40m tief auf den Grund blicken, gelegentlich sind kleine Barsche zu sehen. Rechts und manchmal auch links gibt es kleine Bootstege. Nach 1,8 Kilometern führt der Werbellinkanal durch die Ortschaft Eichhorst, einem beliebten Ziel von Spaziergängern, Wanderern, Radfahrern und Motorradgruppen. Ich steuere die Schleuse an. Es ist allerdings grade eine Gegenschleusung in Gang, so dass etwas Wartezeit entsteht.
Die Schleuse funktioniert in Selbstbedienung, eine grüne Hebelstange ist umzulegen, daraufhin startet die von der Schleusenampel automatisch orchestrierte Prozedur. Ich meine mich zu erinnern, dass dieser Mechanismus vor einigen Jahren noch anders funktionierte, mit einem Druckknopf, der nur aus erhöhter Decksposition oder von Steg aus, aber nicht vom Kajak aus bedienbar war. Der neue Mechanismus mit den in unterschiedlichen Höhen abzweigenden Hebeln ist für alle Boote geeignet, sehr schön.
Eingefahren in die Schleuse ist wieder so ein Hebel umzulegen, dann schließt sich die Schleusenkammer, wie in einem Lara-Croft Level. Es geht etwa 2,50m abwärts. Mit mir ist ein mittelaltes Pärchen mit einem älteren Sportboot in der Schleuse, sie wirken sichtlich ungeschickt und hantieren mit Bootshaken und laufenden Leinen, um ihr Boot auf Abstand von den schleimigen Schleusenwänden zu halten. Eine Touristenschar beobachtet das ganze Procedere von einer Brücke. Der Werbellinkanal wird übrigens auch zur Wasserstandsregulierung des Oder-Havelkanals genutzt, der Werbellinsee dient dabei als Wasserreservoir.
Nach weiteren 2 Kilometern öffnet sich der Kanal zu einem kleinem See, dem Rosenbecker See an der Ortschaft Rosenbeck mit idyllischen Häuschen und Hausbooten am Ufer.
Am südlichen Seeufer befindet sich schon die nächste Schleuse und ich muss mich etwas sputen, da zweihundert Meter vor mir schon das ungeschickte Ehepaar in die Schleuse einfährt. Ich traue denen zu, dass sie direkt auf den Selbstbedienungsknopf drücken und sich die Schleusentore vor mir schließen. Aber das ist gar nicht der Fall, sie schauen sogar hinter mir auf den See, ob da noch jemand kommt.
Noch einmal geht es ca. 2,5 m abwärts und der nächste Abschnitt des Werbellinkanals beginnt. Nach etwa einem Kilometer zweigt links ein unscheinbarer Stichkanal ab. Er führt zum Grabowsee, einem fast ein wenig verwunschenem wirkenden Waldsee, an dem die Zeit stehengeblieben zu sein scheint und an dessen Ufern einige rostige Eisenkähne aus Ostzeiten liegen.
Bei meiner letzten Tour war ich hier abgebogen. Man gelangt nach etwas 150 Metern fast bis an den runden See, der durch einen umgestürzten Baum wahrscheinlich absichtlich abgesperrt ist und kann an einem kleinen Steg aussteigen und die Gegend erkunden. Diesmal ist dort aber ein Wanderer-Pärchen am Pausieren und nach kurzer Überlegung fahre ich weiter, zudem sich der Himmel weiter zuzieht. Als ich schließlich am Pechteichsee ankomme, fängt es schon an zu grollen. Am Pechsteichsee befindet sich eine öffentliche Sliprampe, daher ist er ein beliebter Startort für trailerbare Motorboote. Durch seine direkte Lage an der, leider recht stark befahrenen und daher lauten Bundesstrasse und die meist ausreichend verfügbaren Parkplätze finden aber auch Kanuten, die hauptsächlich den Werbellinkanal befahren wollen, einen guten Startplatz.
Ich begegne wieder dem Pärchen auf dem Motorboot, die hier vor Anker gegangen sind. Der Werbellinkanal hat nun noch einen Wurmfortsatz, der durch eine Brücke hindurch in den Oder-Havel-Kanal führt. An der Brücke kommt mir mit hoher Geschwindigkeit ein Kajütmotorboot mit drei jüngeren Männern entgegen. Ohne abzubremsen, fahren sie an mir vorbei und erzeugen eine meterhohe Heckwelle. Nur mit Mühe vermeide ich einen Schwall Wasser im Cockpit und brülle die Idioten an: „Penner“. Jetzt werden sie langsamer, aber eher, um Streit anzufangen. Ich kann nicht verstehen, was sie zurückschreien und bin schon auf dem Oder-Havel-Kanal, den ich schnell überquere, um über die Marina Marienwerder auf das neuangelegte Folgestück des Werbellinkanals möglichst vor dem großen Wolkenbruch bis zum Finowkanal zu gelangen.
Schon fallen einzelne dicke Tropfen aufs Wasser. Ich grüße noch ein entgegenkommendes Paar im Klepper- oder Puch-Faltboot, das ebenfalls vor dem Gewitter auf der Flucht ist und überlege, vielleicht direkt an der Marina auszusteigen und das Kajak einfach mit dem Kajakwagen die verbleibenden 1,5 Kilometer durch Marienwerder bis zur Datsche zu rollen, anstatt noch einmal 6 Kilometer mit 2 weiteren Schleusen zu paddeln. Aber wie es aussieht, würde ich dabei genauso nass werden und dazu sicher meine Paddlerehre verlieren. Also biege ich rechts in den Werbellinkanal ab und schaffe es, im schon strömenden Regen noch bis unter eine kleine Brücke zu gelangen. Jetzt beginnt es, Bindfäden zu regnen und ein Blitz schlägt mit ohrenbetäubenden Krachen ganz in der Nähe ein.
Immerhin bin ich trocken aber es wird jetzt schon knapp mit der Zeit. Die Schleuse Ruhlsdorf ist laut Google bis 17:00 Uhr geöffnet – wie sich später herausstellt, sogar nur bis 16:45 Uhr. Aber nach einer knappen halben Stunde verebbt der Regen und ich paddele mit erhöhter Schlagzahl den bis kurz vorm Finowkanal reichlich öden Kanal entlang. Eigentlich ist der Werbellinkanal auf diesem dreieinhalb Kilometer langem Teilstück für die Schifffahrt gesperrt, nachdem wohl festgestellt wurde, dass die neuen Deiche rechts und links des Kanals bereits marode und durchlässig sind – Pfusch am Bau. Aber ein Kajak ist ja kein Schiff und da die Gemeinde anscheinend auch nicht in die Gänge kommt mit der Reparatur, bilde ich mir ein, ein Recht zu haben, hier entlangzupaddeln, Kanalbesetzer sozusagen. Um 16:40 biege ich nach Osten in den Finowkanal und freue mich schon, zumindest noch diese Schleuse passieren zu können.
Just als ich in Sichtweite bin, verschwindet der Schleusenwärter, ohne von mir Notiz zu nehmen, in seinem Häuschen. Da ein Hinweisschild nun schwarz auf weiß deutlich macht, dass die letzte Schleusung um 16:45 Uhr stattfindet, schwant mir Böses. Der Schleusenwärter ist offensichtlich schon in Feierabendstimmung und will sich grade aus dem Staub machen. Ich krame das Handy heraus, google die Telefonnummer der Schleuse und rufe dort durch. Niemand hebt ab, aber tatsächlich kommt der Schleusenwärter aus seiner Klause. Ich bitte ihn, mich noch durchzuschleusen. Er ist sichtlich mürrisch und druckst herum. Die Schleuse sei auf Unterwasser, wenn er die Kammer füllen würde, könne er mich bis 17 Uhr nicht mehr durchschleusen. Da mag er recht haben, aber seine Schilder sagen, dass eine Schleusung bis 16:45, also just in diesem Moment, möglich sei. Er weist mich auf den Anlegeponton am rechten Ufer, ich solle dort umtragen. Ich frage, ob ich nicht zumindest auf der Wiese des Schleusengeländes aussteigen könnte, denn der Ponton ist für ein Kajak viel zu hoch. Nein, das sei nicht möglich, Ponton bitte. In innerem Gewittergroll über diesen Faulenzer und Bürokraten lege ich am Ponton an, der völlig verdreckt und auch noch klitschnass vom Gewitterregen ist. Jetzt nur die Ruhe bewahren und ganz vorsichtig balancieren, um nicht auch noch im Wasser zu landen. Ich würge mich den Steg hoch, habe zum Glück den Kajakwagen dabei, denn die Umtragestrecke beträgt gute 150 Meter.
Nun sind es noch einmal 1,5 Kilometer auf dem inzwischen wieder in schönem Spätnachmittagslicht liegenden Finowkanal bis zur Leesenbrücker Schleuse, wo ich noch einmal umtragen muss. Wieder an einem Ponton, der für kleinere Motoryachten optimiert ist, nicht aber für Kajakfahrer und Kanuten. Hier ist der Umtrageweg zum Glück kurz, dafür ist die Treppe zum Ponton auf der östlichen Schleusenseite extrem steil.
Wenn man bedenkt, dass der Finowkanal nur noch für die Freizeitnutzung relevant ist, für Kanuten aber auf jeden Fall ein schönes und abwechslungsreiches Gewässer darstellt, hat man hier bei einer zielgruppengerechten Planung genauso versagt wie bei den immer noch raren Radwegen entlang der Bundesstraßen.
In Marienwerder endet die Tour und ich verbringe das Kajak in die Garage unseres Wochenendhauses und fahre mit dem Fahrrad zurück durch den Wald über Rosenbeck, Eichhorst, den Zeltplatz „Zum süßen Winkel“ bis nach Altenhof“, um das Auto zu holen.
Der faule Schleusenwart lässt mir keine Ruhe und am nächsten Morgen schreibe ich eine Email an die Schleusenbehörde, ob das Verhalten so rechtens gewesen sei. Ich möchte wissen, ob ich als Kajakfahrer ein Wassertourist zweiter Klasse sei, den man auch innerhalb der Öffnungszeiten mal eben zum Umtragen schicken kann. Tatsächlich erhalte ich schon einen Tag später Antwort vom Leiter der Behörde. Er hätte mit seinem Mitarbeiter gesprochen. Tatsächlich sei der Fall kompliziert wegen der Situation mit dem Schleusenwasser. Natürlich hätte der Schleusenwart mich kulanterweise noch schleusen können, aber da dies wegen der vorher notwendigen Schleusenfüllung ein paar Minuten länger als bis 17 Uhr gedauert hätte, hätte er auch nichts falsch gemacht. Im Übrigen gebe er zu, dass die Pontons für Kanuten ungeeignet seien. Es gäbe eine Planung, dies zu ändern, aber durch die aktuelle Diskussion über einen Übertrag der Zuständigkeit für den Finowkanal vom Bund auf die Kommunen wäre dies bis auf weiteres ausgebremst. Nun, immerhin eine Antwort, und mein Ärger ist inzwischen natürlich auch verpufft.
Die Tourenstrecke mit dem wunderbaren Werbellinsee, dem schattigen Werbellinkanal und dem Schlussstück auf dem Finowkanal ist auf jeden Fall zu empfehlen.
Update 1: seit August 2018 wurden nun mit den notwendigen Reparaturarbeiten des Werbellinkanals bei Marienwerder begonnen. Das betroffene Teilstück wurde trockengelegt, um neue Dichtungsmatten einzubringen. So sieht es momentan aus:
Abgeschlossen werden müssen die Arbeiten bis Ende März 2019 – andernfalls müsste die Gemeinde Marienwerder die erhaltenen Förderfelder von 5,5 Mio. EUR zurückzahlen. Siehe auch: https://www.moz.de/landkreise/barnim/bernau/artikel3/dg/0/1/1674946/
Update 2: die Sanierungsarbeiten wurden bereits am 28.02.2019 fertiggestellt und abgenommen. Der Werbellinkanal ist wieder geflutet und kann befahren werden. Schöner ist er dadurch allerdings nicht geworden 😉
siehe auch: MOZ.de / 01.03.2019 – Kanal gewinnt Wettlauf mit der Zeit