Oberuckersee
26.06.2016 - Tagestour im Norden BrandenburgsLänge: 20 km
Eine grössere Kajaktour an diesem extrem heissen Juni-Wochenende kam leider wegen aus Westen heranziehenden und für den Nachmittag angekündigten starken Unwettern nicht in Frage. Nach einem Blick auf Googlemaps entschied ich mich schliesslich, den Oberuckersee anzusteuern, der gut erreichbar nahe der Autobahn A11, Ausfahrt Pfingstberg gelegen ist und, über den kleinen Fluss Ucker, bzw. Uckerkanal über 4,5 km mit dem seltsamerweise nördlich gelegenen Unteruckersee verbunden, bis Prenzlau eine Tourenstrecke von fast 20 Kilometer bietet, die ich wegen der notwendigen Rückfahrt und dem Damoklesschwert des nahenden Gewitters natürlich nicht würde ausschöpfen können.
Ein paar Fahrminuten hinter der Ausfahrt Pfingstberg in Richtung des Ortes Suckow zweigt rechts ein kleiner Weg ab, der nach wenigen Metern zu einigen Bootshäusern und dahinter einer kleinen Badewiese mit Parkplatz führt. Der schon von der Strasse aus sichtbare See ist die Grosse Lanke, ein südlicher Ausläufer des Oberuckersees. An der bei drückenden 35 Grad schon gut besuchten Badebucht kann ich unproblematisch einsteigen, diesmal bin ich mit dem Seayak unterwegs.
Die Fahrt geht nach Norden. Nach etwa 10 Minuten ist der Oberuckersee erreicht, der sich mit seiner weiten Wasserfläche grosszügig öffnet. Der See ist etwa 7 km lang und 1,6 Kilometer breit, die maximale Tiefe liegt bei 25 Meter. Die im Verbindungsstück der Seen ausgelegten Reusen lassen sich leicht überfahren, Steueranlage oder Skeg sollten dabei allerdings nicht stören, da die Reusen nur ca. 5 cm unter der Wasseroberfläche gelegen sind. Meine Fahrt geht am ostwärtigen Ufer entlang. Der See ist durchweg mit dichtem Schilf umsäumt. Der Ostteil ist stärker besiedelt als das Westufer und gelegentlich öffnen sich kleine Badestellen im Schilf oder private Bootsanleger.
Auf dem See ist nahezu kein Bootsverkehr zu sehen: ein einziger Jollenkreuzer ist unterwegs, einige Angelboote und Kanadier, ein Standup-Paddler und ganz entfernt ein kleiner Ausflugsdampfer. Im südlichen Ende des Sees liegt mittig eine schilfumsäumte Insel. Der Wind kommt mir leicht aus Nordost entgegen und kühlt zum Glück etwas. Ich habe mein Windpaddle dabei, in der Hoffnung nach einiger Verausgabung einen angenehmen Rückweg zu haben.
Nach etwas einer Stunde ist das nördliche Ende des Sees erreicht, der sich an einer Landzunge gabelt. Nordöstlich geht es noch etwas weiter in die Lanke bis hin zur Autobahn und möglicherweise über einen Stichkanal noch darunter hindurch in den Krummesee. Am Ostufer wird ein Hotelkomplex sichtbar, der mit seinen klobigen Balkonbuchten noch dem Zeitalter des Waschbetons zu entstammen scheint. Ich halte mich nun westlich und erreiche die Einfahrt des Verbindungskanals (oder ist es die Ucker?) zwischen Ober- und Unteruckersee, die etwas versteckt am hinteren westlichen Ende sichtbar wird. Sofort wird die Hitze drückend, der kühlende Wind fehlt. Nach Unterquerung einer kleinen Strassenbrücke zeigt sich der ca. 6-7 Meter breite Kanal als lauschiges Idyll, doch ein Rastplatz, den ich langsam nötig habe, findet sich nicht – das Ufer ist schilfbestanden, manchmal zweigen kurze und schmale Entwässerungsgräben in ein sumpfiges Pflanzendickicht ab.
Während ich saumselig hier und da ein Foto schiesse, rauscht plötzlich unversehens ein weisses 2er Seekajak von hinten heran. Es macht sicher um die 10 km/h Fahrt. Heftig beeindruckt von der Geschwindigkeit unterhalte ich mich kurz mit dem ambitionierten Pärchen, das, wenn ich es richtig mitbekomme, für einen schwedischen Seekajakmarathon trainiert. Ich dachte schon, dass sie direkt nach Schweden unterwegs sind, aber sie kommen aus einem kleinen Ort am Unteruckersee und drehen nur eine Trainingsrunde. Mit beneidenswert hoher und synchroner Schlagzahl rauschen die Beiden davon, nicht ohne mir zu versichern, dass dies hier die schönste Strecke sei. Meine Muskeln fühlen sich inzwischen nach nicht mal 10 Km wie Blei an, ich mache gar nicht erst den Versuch, den Beiden nachzueifern, was mit meiner Kondition und dem nicht grade als Rakete konzipierten Seayak auch gar nicht möglich wäre. Googlemaps verrät, dass sich nach etwas mehr als der Hälfte des Kanals ein kleiner See auftut – der Möllensee. Da inzwischen fast 2 Stunden vorbei sind, beschliesse ich, bis dorthin weiterzupaddeln und dann kehrtzumachen, ohne noch bis zum Unteruckersee weiterzufahren. Der kleine See tut sich tatsächlich auf, ein Schild verbietet das Angeln, es ist ein Privatgewässer. Ich wundere mich über den braunen Schlamm, der bei jedem Schlag aufgewirbelt wird und bemerke, dass dieser „See“ vielleicht grade mal 40cm tief ist. Auch hier kein festes Ufer weit und breit auszumachen, im Westen türmen sich langsam die angesagten Gewitterwolken auf – ich kehre wieder um – ohne die ersehnte Pause.
Auf der Rückfahrt durch den engen Kanal kommt mir plötzlich der kleine Ausflugsdampfer, dessen entfernte Silhouette ich vorhin auf dem See gesehen hatte, drohend entgegen, fast die gesamte Kanalbreite einnehmend. Ich zwänge mich am rechten Ufer vorbei und grüsse den Kapitän. Hinter dem Dampfer hat sich der Kanal für fast 1 km in eine temporäre Schlammbrühe verwandelt, die Schiffsschraube hat alles gründlich vertikutiert. Ich frage mich, wie der Dampfer durch den sumpfigen See kommen wird, aber das scheint zu funktionieren – für die tierischen und pflanzlichen Bewohner des Kanals auf jeden Fall ein trügerisches Idyll. Zurück auf dem Oberuckersee hat der Wind nach Ost gedreht, er fällt sogar fast vorlich ein. Das Windpaddle kann ich also getrost vergessen.
Der Rückweg führt mich am Westufer vorbei, allerdings in einigem Abstand. Erst auf Höhe der Burgwall-Insel wird rechts erst eine Badestelle und dann eine schöne Bootshaussiedlung sichtbar. Ich nähere mich der Insel, die aber vollständig schilfumsäumt ist. Im Windschatten der Insel lasse ich mich kurz treiben und esse etwas. Anfang des 12. Jhdts. gab es hier eine Slavensiedlung und sogar hölzerne Brücken ans Nord- und Westufer, wie man auf Wikipedia nachlesen kann. Jetzt ist die Insel in Privatbesitz. Visavis der Insel am Südufer entdecke ich endlich eine kleine Lücke im Schilf und vertrete mir kurz die Beine. Dann geht es zurück über die Grosse Lanke. Hinter der Badestelle tun sich schon dunkle Wolken auf, es donnert in der Ferne. Es reicht noch für ein kühles Bad. Als ich dann wenige Minuten später auf der Autobahn zurückfahre, kommen auf der Gegenfahrbahn Krankenwagen angerast. Kurz danach sehe ich mehrere Wagen ineinander verkeilt. Wenige Minuten später einen Baum, der schräg über der Gegenspur hängt und dann geht ein Sturzregen los, der die Frontscheibe in Sekundenschnelle auch bei höchstem Scheibenwischerintervall fast komplett blind macht. Autos fahren auf den Standstreifen und halten an, ich schleiche mit Warnblinker dahin. Nach 10 Minuten ist der Spuk zum Glück vorbei; auf dem See wäre das wohl wesentlich unangenehmer geworden.